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Und die Goetter schweigen

Und die Goetter schweigen

Titel: Und die Goetter schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Janson
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ging die Behandlung viel schneller. Da konnte er in der gleichen Zeit mehr Kinder verarzten oder sich eine kleine Rauchpause gönnen. Aber Maria hatte sich das Lob erhofft und die Konsequenzen gezogen. Als Erwachsene spürte sie infolgedessen Schmerzen schon bei dem bloßen Geruch, noch mehr bei dem Bohrergeräusch, das sich über das Gehör durch das ganze Skelett ausbreitete, schnitt und vibrierte. Aber die eigentliche Ursache war bis jetzt wie weggeblasen gewesen. Erstaunlich, wie Gerüche Erinnerungen wachrufen können. »Rein technisch ist es durchaus möglich, ein neues Zahnschema zu schreiben und die Markierungen auf Röntgenbildern zu ändern, ja. Aber glauben Sie wirklich, dass Disa Månsson so etwas getan hat? Sie schien so unkonzentriert. Lassen Sie es mich gespalten nennen. Dies hier war ihre achte Anstellung innerhalb kurzer Zeit. Sie hatte Schwierigkeiten, einer Arbeit nachzugehen, rechtzeitig zu erscheinen. Manchmal kam sie gar nicht.«
    »Sie stahl«, fauchte Frau Eriksson hinter ihrem Mann versteckt. Hartman hob fragend die Augenbrauen. »Sie stahl Reinigungsalkohol, und ständig verschwand Geld aus der Kasse.«
    »Haben Sie diese Diebstähle der Polizei gemeldet?«
    »Nein, ich war mit ihrem Vater sehr gut befreundet. Wollte ihn mit einer solchen Sache nicht in Verlegenheit bringen. Sie wollten etwas über Zahnschemata wissen?« Hartman hob den Daumen unters Kinn und legte die Stirn in tiefe Falten. »Gibt es eine Möglichkeit für uns, die Echtheit des Zahnschemas zu kontrollieren?«
    »Man kann in Erfahrung bringen, zu welchem Zahnarzt sie gegangen ist, ehe sie hierher kam, und dann die Zahnschemata vergleichen. Dabei kann ich sicher behilflich sein. Wenn sie hier in Uppsala zur Schule gegangen ist, sollte man zuerst bei den Schulzahnärzten prüfen, schlage ich vor.«
    »Es würde uns sehr helfen, wenn Sie eine Liste der weiblichen Patienten zusammenstellen würden, die etwa im gleichen Alter waren und seit dem Tod von Disa Månsson nicht mehr zu Ihnen gekommen sind.« Maria Wern konnte den ganzen Gedankengang im Gesicht des Zahnarztes verfolgen, bis zu dem Moment, in dem er völlig bestürzt ausrief: »Könnte sie noch am Leben sein? Könnte sie eine andere Frau an ihrer Stelle ermordet haben? Sie meinen also, dass die Frau, die bei dem Fahrzeugbrand umgekommen ist, eine meiner Patientinnen ist und dass Disa noch lebt? Glauben Sie das? Ich schließe meine Praxis für heute. Ich werde mein Bestes tun.« Zahnarzt Erikssons schattengleiche Frau blickte vorsichtig hinter dem breiten Rücken ihres Mannes hervor. Sie war sehr bleich und sehr abweisend. Die Unterlippe zitterte leicht. Mit dem Anflug eines Lächelns verabschiedete sie sich, schlich einige Schritte hinter ihnen her, sagte nochmals auf Wiedersehen, als Hartman sich umdrehte. Sie gingen hinaus und setzten sich in das kalte Auto. Maria versuchte, die beschlagene Scheibe mit den Scheibenwischern zu säubern, musste aber bald aufgeben, aussteigen und kratzen. Hartman rief derweil in Kronköping an. Sturms gehetzte Stimme war über die halbe Straße zu hören. Als die Windschutzscheibe frei war, bemerkte Maria eine Bewegung im Fichtenwald. Frau Eriksson kam schnell auf sie zu. Sie trat ganz dicht an sie heran, viel näher, als es Maria angenehm war, und flüsterte drei Zentimeter vor ihrer Nase: »Das wird jetzt das Aus für die Praxis meines Mannes sein. Ich hoffe, Sie sind sich darüber im Klaren, was Sie verlangen!« Dann war sie ebenso hastig verschwunden, wie sie gekommen war. Ein leiser Windhauch in den Fichten, und sie war nicht mehr zu sehen. Maria fasste sich an die Nase, wie um nachzuprüfen, ob die von der eisigen Stimme nicht Frost bekommen hatte.

25

    Der Vernehmungsraum würde bald genauso stinken wie Vidar Larssons Wohnwagen. Das spürte Maria beim ersten Atemzug, als der Mann hereingeführt und ihm ein Stuhl angewiesen wurde. Das Unwohlsein nach mehreren Nächten, in denen sie nicht genug geschlafen hatte, machte sich bemerkbar. Der Geruch nach saurem Schweiß und kaltem Rauch verstärkte das Gefühl noch. Vidar Larsson ließ sich schwer auf den Stuhl fallen, der beinahe völlig von der enormen Körperfülle verdeckt wurde, und steckte sich eine Zigarette an. Die Oberlippe war von dem Kautabak deutlich ausgebeult. Hartman nahm die Hand vor das Gesicht, auch er litt unter dem Gestank. Maria hatte ihm von den sanitären Verhältnissen in der Wohnwagenkarawane erzählt. Hartman wurde zunehmend wütender, als er begriff, wie

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