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Und die Goetter schweigen

Und die Goetter schweigen

Titel: Und die Goetter schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Janson
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Raucher-Kampagne zur Abschreckung Jugendlicher: Rauche, und du wirst dich in einen Ragnarök-Ragnarsson verwandeln! Maria holte sich noch eine Tasse Kaffee und beobachtete die Fahrgäste. Freunde, die sich trafen, verliebte Paare, die Abschied nahmen, kleine zurückhaltende Damen in Wollmänteln und Studenten in allen Variationen. Eine Frau in schwarzer Lederjacke, Modell Lumberlook, stellte sich in die Schlange vor den Fahrkartenschalter. Maria konnte gar nicht anders, als diskret ihren Platz zu verlassen, um nachzusehen, ob … Das Herz schlug laut. Das Handy lag fest in der Hand. Die Frau trug einen Schal um den Kopf. Die Lederjacke war das richtige Modell. Sie sprach leise mit dem Mann am Schalter. Als die Dame ihre Fahrkarte bekommen hatte und sich umdrehte, atmete Maria aus. Die Frau war Asiatin. Gereizt machte Maria auf dem Absatz kehrt und ging wieder zu ihrem Stuhl. Der war inzwischen besetzt und die Kaffeetasse abgeräumt. Am Tisch saß ein frisch verliebtes Paar, das hoch über alle Monotonie des grauen Alltags erhoben die romantischen Augenblicke voll genoss. Eifersüchtig starrte Maria sie an, diese Blicke, diese Zärtlichkeiten. Was war in ihrer eigenen Ehe schief gegangen? Liebte sie ihren Mann? Ja! Hasste sie ihren Mann? Ja! Was würde schmerzhafter sein, mit ihm weiter zusammenzuleben oder ohne ihn zu leben? Die Frage war unmöglich zu beantworten. So wie bisher konnte es jedenfalls nicht weitergehen. Da war Maria sicher. Der Gedanke schmerzte. »Zug aus Söderhamn und Gävle hat jetzt Einfahrt auf Gleis 4.« Maria ging hinaus auf den Bahnsteig. Ganz hinten sah sie Kriminalinspektor Tomas Hartman aussteigen und eilte gegen den Strom der anderen Reisenden auf ihn zu.
    »Das hört sich unwahrscheinlich an, muss aber natürlich überprüft werden. Wir versuchen so schnell wie möglich einen Termin bei Zahnarzt Eriksson zu bekommen.« Hartman kratzte sich und ließ sich Marias Überlegungen durch den Kopf gehen. »Wie sicher ist Vidar Larsson, dass es wirklich Disa war, die ihn abgeholt hat?«
    »Ganz sicher, wir haben ihm etwa 30 Fotos von ähnlich aussehenden Frauen vorgelegt, und er hat sofort auf Disa gezeigt.«
    Erikssons Zahnarztpraxis lag, von Fichten umgeben, wie in einem privaten Wald, der Öffentlichkeit nicht zugänglich. Dunkel und düster bewachte der Wald das Haus, das sowohl Wohnhaus als auch Zahnarztpraxis war. Die jungen Fichten waren von einem übereifrigen Gärtner viel zu dicht gepflanzt worden, der seinerzeit nicht übersah, wie sie sich einmal entwickeln würden. Jetzt waren die Fenster von einer dicken Nadelschicht bedeckt, gegen die etwas zu tun niemand mehr die Kraft zu haben schien. Der ganze Garten lag rund um die Uhr im Schatten. Nur häufchenweise hatte der Schnee den moosbedeckten Boden erreicht. Der Weg mit seinen Steinplatten war glatt. Unversehens rutschte Maria aus und griff im letzten Augenblick nach Hartmans Mantelarm. Ein nervöser und wachsamer Mann, an die siebzig Jahre alt, beobachtete sie von der Treppe aus. Sein dünnes Haar flatterte im Wind. Einen Moment lang schien es Maria, als hätte der Mann einen Schlafanzug an, bevor ihr klar wurde, dass der Zahnarzt Eriksson sich für die Arbeit angezogen hatte. Hinter ihm war seine Frau zu erkennen. Sie trug mit diskreter Eleganz ein helllila Kostüm und war ebenso mager und blutleer, wie ihr Mann rundlich und rotgesichtig war. Ihr Haar war dünn und stumpf, und um den Mund herum hatte sie einen Zug von Bitterkeit. Sie wurden in die Praxis geführt und ließen sich im Wartezimmer nieder. Maria hatte gemeint, sie würden in das Wohnzimmer oder in die Küche der Eheleute Eriksson gebeten. Dass sie im Wartezimmer landeten, empfanden sie als eine Art Signal, ein Abstandhalten. »Ich lasse euch herein, weil ich dazu gezwungen bin, aber ich lasse euch nicht an mich heran.« Der unbehagliche Geruch, die Angst, die an den Wänden des Wartezimmers hängen geblieben war, ließ Erinnerungen wieder aufleben und führte unwillkürlich zu einem leichten Ziehen in den Zähnen. Maria merkte, dass sie in einem Anfall von Rückerinnerung die Kiefer zusammenpresste und die Lippen aufeinander kniff. Plötzlich fiel ihr ein, dass sie als Kind niemals um eine Betäubungsspritze gebeten hatte. Damals schien es wichtiger gewesen zu sein, gelobt zu werden, als ohne Schmerzen davonzukommen: »Du willst keine Betäubung? Du bist aber tapfer!«, hatte der Zahnarzt gesagt. Klar wie Kloßbrühe, dass ihm das gefiel. Wenn er nicht betäuben musste,

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