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Und die Goetter schweigen

Und die Goetter schweigen

Titel: Und die Goetter schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Janson
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beinahe ausschließlich mit ihrem Vater zusammen gewesen und hatte passiv an den Veranstaltungen von Freyjas Nachkommen teilgenommen. Sie war charmant, aber unzuverlässig, vielleicht kriminell gewesen, es war ihr aber gelungen, ihre Arbeit zu behalten. Dann, nach dem Tod ihres Vaters, brachen alle Dämme. »Du hast einen Mord begangen, Rache für ein Unrecht, das beinahe fünfundzwanzig Jahre zurückliegt. War das ein plötzlicher Einfall, oder ist der Plan langsam und stetig gewachsen?« Maria gleitet dahin, fällt in einen tiefen Schlaf. Das Geräusch des Fernsehers vermischt sich mit Traumbildern und eigenen Erlebnissen. Artur segelt in einem weißen Nachthemd ins Wohnzimmer. Schwiegermutter steht am Ruder. Linda weint. Eine Frau schreit, weil sie ihr Auto nicht anhalten kann. Die Bergwand nähert sich. Die Fußbremse reagiert nicht. Die Frau greift zur Handbremse. Der Hebel sitzt locker. Sie hat den Bremshebel in der Hand. Der Schrei wird gellender. Das Personal kommt angelaufen. Die blonde Frau reißt sich die Perücke vom Kopf und wirft sie auf den Boden. Sie greift zum Schalthebel, um einen niedrigeren Gang einzulegen, aber zu spät! Ein lauter Knall, eine Explosion färbt den Nachthimmel rot. Maria kann das Schauspiel von ihrem Versteck in Patrik Hedlunds Schrank aus beobachten. Nach der Explosion wird alles still, sehr still. Maria spürt die Wunden in ihrem Gesicht. Erfrorene Vögel sitzen auf Telefondrähten. Keine Nachrichten kommen durch. Die Frau in dem Auto hat keine Zähne, denkt Maria, als sie durch die zerbrochene Scheibe blickt. Die Frau hat keine eigenen Zähne. Das ist ein Gebiss! Saga Månssons Gebiss. Macht man ein Zahnschema von Gebissen?
    Disa Månsson lächelt ihr Spiegelbild an. Streicht mit der Hand über das dünne Seidennachthemd, atmet den schwachen Duft von Fliederseife ein. Genussvoll steckt sie den Weihrauch der Göttin an, nimmt einen tiefen Zug und lässt den Rauch in kleinen Wölkchen an die Decke steigen. Diese Gaben sind nur ein kleiner Vorgeschmack auf das große Geschenk, das die Göttin Freyja ihr machen wird. Danach sehnt sie sich vor allem anderen. Was die medizinische Wissenschaft ihr verweigert, ihr geraubt hat, sollen die Asen ihr zurückgeben. Diese Gabe ist ihre rechtmäßige Belohnung für die Rache, die sie an dem Mann genommen hat, der seinen Eid brach. Die Göttin Freyja soll ihr ein Kind schenken! Ein vergilbtes Fotoalbum, früher einmal weiß wie Arsen, liegt aufgeschlagen auf dem Tisch, durch Alter und Rauch verschlissen. Disa sieht ihr Gesicht ganz dicht an dem Gesicht des Mannes. Er, der ihr ewige Treue geschworen hat. Sie haben ihr Blut vermischt! Dick Wallström und Disa Månsson in Ewigkeit! Sie trug sein Kind unter dem Herzen an dem Tag, als sie ihn eng umschlungen mit einer anderen Frau hinter der Fliederhecke in der Privatklinik Torsåkra fand. Mit einem scharfen Stein hatte sie ihn für alle Zeit gekennzeichnet. Dicht unter dem Auge. Das Blut hatte den Kragen seines weißen Mantels rot gefärbt. Ihren Rasereiausbruch hatten sie mit Beruhigungsspritzen gedämpft, Beruhigungsspritzen bis zum Operationstisch. Ein kleines Mädchen hatten sie aus ihrem Körper gezogen, zu klein, um in Midgard atmen zu können. Ein kleines Mädchen! Leben für Leben! Ihrem Vater zuliebe hatte sie ihre Raserei bezwungen. Wie ein wildes hungriges Tier hatte es die Jahre über gerufen, nach Blutrache gerufen, aber sie hielt die Zügel straff, bis die Zeit reif war. Erst als der Vater in die nächste Dimension ging, von wo aus er ihr Schutz und Weisheit geben konnte, war die Zeit reif für die Rache. Es war keine Selbstverständlichkeit, dass der Frauenarzt vor Dick Wallström den Tod erleiden musste. Disa hatte der Sitte entsprechend gehandelt, hatte die Nornen um Rat gefragt. Das Los war auf Bertil Simonsson gefallen. Sie hatte neun männliche Wesen geopfert, das Blut auf ihre Holzgötter gesprengt: Odin, Thor und Freyja. Wie eine Schamanin hatte sie gesungen und sich in Trance getanzt. Aufgegeilt und zielstrebig war sie auf den Straßenstrich gegangen, um den Samen gesät zu bekommen, aus dem ein Mädchen wachsen sollte, ein neues Mädchen, wie sie es sich von Freyja gewünscht hatte. Der Zeitpunkt war richtig, aber die Ernte blieb aus. Ihr Schoß blieb leer, obwohl die Aussaat reichlich war. Die Erde war unfruchtbar. Enttäuscht hatte sie das feststellen müssen, als die Blutungen wie üblich am Monatsende kamen. Gekleidet in einen weißen Arztkittel, war sie ohne

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