und die große Versoehnung
sich langsam auf, ohne den Blick ihrer Großmutter zu erwidern. Stattdessen starrte sie auf den Becher mit kaltem Kakao, der auf ihrem Nachttischchen stand.
Glenda betrachtete das traurige Gesicht ihrer Enkelin. Sie bemerkte die Tränenspuren auf ihren Wangen.
Aber ihr Herz war schon so lange tot, dass sie die offensichtliche Verzweiflung ihrer Enkelin nicht berührte. Sie sagte nur: »Geh ins Bett und wärm dich auf, Verena, und schlafe.«
Verena nickte, den Blick weiter auf den kalten Kakao gerichtet.
»Gute Nacht«, sagte Glenda, dann schloss sie die Tür.
Verena schleppte sich vom Bett und zog ihren Schlafanzug an. Dann ging sie zur Tür und schaltete das Licht aus. Sie lief im Dunkeln über den Teppich zurück zum Bett und legte sich hin. Vor Kälte bibbernd, zog sie ihre Decke eng um sich und fragte sich, was der Morgen bringen würde. Dann weinte sie sich in den Schlaf.
Im Wohnzimmer im Erdgeschoss angekommen, setzte sich Glenda auf das cremefarbene Sofa, um nachzudenken. Abgesehen vom schwachen Schein der Tischlampe neben ihr, lag der Raum im Dunkeln.
Ich bin überzeugt, dass Verenas Kräfte erwacht sind, überlegte sie. Ich spüre es. Irgendetwas an ihr ist anders, und sie war in den letzten Tagen so geheimniskrämerisch. Hat sie deswegen geweint oder ist sie einfach nur besorgt wegen ihrer Mutter?
Ich war in ihrem Alter, als ich meine Kräfte bekam, und meine Mutter ebenso, erinnerte sich Glenda. Wenn es Verena bestimmt ist, die magischen Kräfte der Cantrip-Familie zu erben, wäre es nur natürlich, dass sie sich bei ihr auf ähnliche Weise bemerkbar machten wie bei Mutter und mir.
Die Cantrip-Schwestern haben ihre Kräfte offenbar viel früher bekommen, dachte sie. Wenn es um Magie geht, gibt es wohl keine festen Regeln.
Der Gedanke an die Cantrip-Schwestern ließ Glendas Miene erstarren. Mit ihrer rechten Hand strich sie sich über das hellblonde Haar, das sie im Nacken zu einem Knoten geschlungen trug. Es war das einzig Weiche an ihr. Alles andere wirkte hart: ihre schmale Nase und ihre zusammengepressten Lippen, ihre kalten blauen Augen und ihre gebieterische Miene.
Meine magischen Kräfte haben mir eine Menge Dinge verschafft, die ich sonst sicher nicht gehabt hätte, dachte sie. Der Cantrip-Zweig der Familie mag beschlossen haben, seine Kräfte nur für das Gute einzusetzen, ich dagegen habe meine stets benutzt, um zu bekommen, was ich wollte: Reichtum, Ansehen und Macht.
Mit Marilyn Cantrips Geld auf dem Konto bin ich eine sehr reiche Frau, dachte sie. Ich wäre es auch ohne ihr Geld, aber so bin ich noch reicher. Sie lächelte.
Und jetzt scheint auch Verena über magische Kräfte zu verfügen. Was heißt das für mich? Wie kann ich mir ihre Kräfte zunutze machen?
Nachdem Zoe ihn verlassen hatte, lud Stephen seine Mutter ein, auf Eichenruh zu leben und sich um Verena zu kümmern, da er einen Großteil der Zeit von London aus arbeitete. Weder Stephen noch Zoe war bewusst gewesen, dass Glenda ihre dunklen Kräfte benutzt hatte, um ihre Ehe zu zerstören und daraus ihren Nutzen zu ziehen. Es war ein Weg gewesen, in der Nähe von Cantrip Towers zu leben.
Glenda presste die Lippen so fest aufeinander, dass sie einen schmalen Strich bildeten. Der Kampf gegen die Cantrip-Schwestern dauerte bereits herausfordernde sechs Monate.
Hinzu kam die Sache mit Marilyn Cantrips gestohlenem Geld. Glenda hatte gedacht, sie habe es gut versteckt, doch nun war sie sich da nicht mehr so sicher. Marilyn war in Südfrankreich gewesen und hatte Fragen gestellt. Verena hatte erwähnt, dass sie mit der dortigen Polizei gesprochen habe. Vielleicht ist das Geld nicht gut genug versteckt, überlegte Glenda.
Nichts hat sich so entwickelt, wie ich es mir vorgestellt habe, dachte sie. Es ist beinahe Weihnachten, und ich bin von meinem Ziel, Cantrip Towers und den geheimen Plan – den Schlüssel zur Magie des Hauses – in die Finger zu bekommen, noch meilenweit entfernt. Bisher haben mich die Cantrip-Schwestern jedes Mal ausgetrickst – sie und MrsDuggery.
Glenda lächelte ein grimmiges Lächeln.
Nun, da Verena ihre Kräfte hat, habe auch ich eine Verbündete, überlegte sie. Es ist Zeit für mehr dunkle Magie in der Familie. Verena ist noch jung und leicht zu beeinflussen. Und sie ist sehr durcheinander, wenn man an ihre Tränen von heute Abend denkt.
Mal sehen, wie viel Druck ich morgen auf sie ausüben kann, dachte Glenda, stand auf und knipste die kleine Lampe aus. Ich muss einen Weg finden, dafür
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