Und die Großen lässt man laufen
Mütze den Schweiß von der Stirn. Gunvald Larsson ließ das Schweigen auf die beiden Männer einwirken. Dann hob er plötzlich die Arme und ließ die Handflächen mit einem Knall auf die Tischplatte sausen, der das Zimmer erzittern ließ.
»Schwindel!« brüllte er. »Jedes Wort ist gelogen, und das wissen Sie ganz genau. Sie hielten an einer Würstchenbude an. Einer von Ihnen stand neben dem Wagen und aß ein Würstchen. In diesem Augenblick radelte sehr richtig ein Mann an Ihnen vorbei, und jemand rief Ihnen etwas zu. Es war aber nicht der Mann, der Ihnen ›Bi-ba-Bullenpack‹ zurief, sondern sein Sohn, der auf dem Gepäckhalter in einem Kindersitz saß. Und dieser Sohn ist ganze drei Jahre alt!« Gunvald Larsson verstummte urplötzlich. Kristiansson und Kvant waren rot wie Tomaten. Schließlich faßte Kristiansson sich ein Herz und murmelte zögernd: »Wie um alles in der Welt können Sie das wissen?«
Gunvald Larsson sah einen nach dem anderen mit vernichtenden Blicken an. »Nun, wer hat das Würstchen gegessen?« fragte er.
»Ich nicht«, sagte Kristiansson.
»Du feiges, mieses Arschloch«, zischte Kvant aus dem Mundwinkel.
»Und jetzt werde ich Ihre Frage beantworten«, sagte Gunvald Larsson müde. »Ich weiß das alles, weil dieser Mann mit dem Fahrrad es sich nicht einfach gefallen ließ, von zwei uniformierten Grobianen fünfzehn Minuten lang auf offener Straße angebrüllt zu werden, nur weil sein dreijähriger Sohn etwas gesagt hatte. Dieser Mann rief bei der Polizei an und beschwerte sich, und damit hatte er verdammt recht. Nicht zuletzt, weil er sogar Zeugen hatte. Gab es übrigens auch Kartoffelbrei zum Würstchen?«
Kristiansson nickte düster. Kvant versuchte, eine letzte Verteidigungsposition einzunehmen: »Man verhört sich leicht, wenn man den Mund voll…«
Gunvald Larsson unterbrach ihn, indem er die rechte Hand hob. Er nahm seinen Notizblock, holte einen Bleistift aus der Jackentasche und schrieb mit großen Buchstaben: SCHERT EUCH ZUM TEUFEL!! Er riß das Blatt ab und schob es über den Tisch. Kristiansson nahm den Zettel in die Hand, sah ihn an und wurde noch roter. Dann gab er ihn Kvant.
Kristiansson und Kvant sahen sich stumm an und gingen aus dem Zimmer.
4
Von alldem wußte Martin Beck nichts.
Er befand sich in seinem Dienstzimmer im südlichen Polizeihaus an der Västberga-Allee und beschäftigte sich mit ganz anderen Problemen. Er hatte seinen Stuhl zurückgeschoben, die Beine ausgestreckt und die Füße auf eine herausgezogene Schublade seines Aktenschranks gelegt. Er kaute auf dem Pappmundstück einer frisch angezündeten Florida herum, hatte die Hände in den Hosentaschen unb blinzelte aus dem Fenster. Er dachte nach.
Weil er Kommissar bei der Reichsmordkommission war, hätte man vermuten können, er beschäftige sich etwa mit dem im Süden Stockholms mit einer Axt begangenen Mord, der nach einer Woche noch immer nicht aufgeklärt war. Oder mit der unidentifizierten Frauenleiche, die man aus dem Riddarfjärden gefischt hatte. Dem war jedoch nicht so. Er grübelte darüber nach, was er für die Einladung zum Essen heute abend noch einkaufen mußte. Ende Mai hatte Martin Beck eine Zweizimmerwohnung in der Köpmangatan bekommen und war von zu Hause weggezogen. Er und Inga waren achtzehn Jahre verheiratet, aber ihre Ehe war schon seit langem keine Ehe mehr, und als ihre Tochter Ingrid im Januar mit Sack und Pack auszog, um mit ihrer Freundin zusammenzuziehen, hatte er zum erstenmal mit seiner Frau über eine Trennung gesprochen. Anfänglich hatte sie noch heftig protestiert, aber als er seinen Mietvertrag unter Dach und Fach hatte und sie vor vollendete Tatsachen stellte, akzeptierte sie seinen Entschluß. Martin Beck ahnte, daß sie im Grunde sehr zufrieden damit war, künftig mit ihrem Lieblingskind Rolf allein zu sein. Der Sohn war erst vierzehn. Die neue Wohnung war gemütlich und hatte die richtige Größe, und nachdem Beck erst einmal Ordnung in die Dinge gebracht hatte, die er aus Ingas und seiner Wohnung in dem trostlosen Vorort Bagarmossen mitgenommen und einige Neuanschaffungen gemacht hatte, war ihm in einem Anfall von Übermut die Idee gekommen, seine drei besten Freunde zum Essen einzuladen.
Angesichts der Tatsache, daß seine Kochkünste sich auf das Kochen von Eiern und Tee beschränkten, erschien ihm jetzt die Einladung als reichlich leichtsinnig. Er versuchte sich zu erinnern, was Inga bei solchen Anlässen auf den Tisch brachte, aber es tauchten nur
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