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Und die Großen lässt man laufen

Und die Großen lässt man laufen

Titel: Und die Großen lässt man laufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Per Wahlöö Maj Sjöwall
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ging, bin ich immer mitgefahren. Aber nicht zu Konferenzen, natürlich.«
    »Ich verstehe«, sagte Mänsson wieder. Was verstand er? Daß sie in erster Linie als lebende Modepuppe fungiert hatte, daß sie etwas Junges war, das man mit kostbaren und für normale Menschen unbrauchbaren Kreationen behängen konnte. Daß für Männer wie Viktor Palmgren eine Frau, die allgemeine Bewunderung erregte, zu den Requisiten gehörte.
    »Haben Sie Ihren Mann geliebt?« fragte er plötzlich.
    Sie sah nicht erstaunt aus, zögerte aber mit der Antwort. »Lieben, das klingt so blöd«, sagte sie schließlich.
    Mänsson holte einen seiner Zahnstocher hervor und fing an, nachdenklich darauf herumzukauen. Sie sah ihn erstaunt an. Dies war das erste Mal, daß sie etwas zeigte, was einem aufrichtigen Gefühl glich. »Warum machen Sie das?« fragte sie neugierig.
    »Eine schlechte Angewohnheit, die ich mir zugelegt habe, als ich mit dem Rauchen aufhörte.«
    »Ah, so ist das. Wenn Sie aber rauchen wollen: Zigaretten und Zigarren sind dort hinten in der Schatulle auf dem Rauchtisch.« Mänsson betrachtete sie einen Augenblick. Dann wechselte er zu einem neuen Thema über. »Dieses Essen am Mittwoch war eher etwas wie ein Geschäftsessen, nicht wahr?«
    »Ja. Am Nachmittag hat eine Konferenz stattgefunden, bei der ich allerdings nicht dabei war Ich war zu Hause und zog mich um. Beim Lunch vorher aber war ich dabei.«
    »Wissen Sie, worum es in dieser Konferenz ging?«
    »Geschäfte, wie gewöhnlich. Ich weiß aber nicht genau, um was für Geschäfte. Viktor hatte ja so viele Eisen im Feuer. Das pflegte er übrigens auch selbst zu sagen: ›Ich habe viele Eisen im Feuer.‹«
    »Sie kannten alle Teilnehmer des Essens, nicht wahr?«
    »Ich habe sie von Zeit zu Zeit gesehen. Nein, übrigens nicht alle, nicht diese Sekretärin, die Hampus Broberg mitgebracht hatte. Die hatte ich noch nie gesehen.«
    »Sind Sie mit einer anderen Person näher bekannt?«
    »Eigentlich nicht.«
    »Auch nicht mit Direktor Linder? Er wohnt ja hier in Malmö.«
    »Wir haben uns mitunter getroffen, bei gesellschaftlichen Anlässen und so.«
    »Sie verkehren nicht privat miteinander?«
    »Nein. Nur durch meinen Mann.« Sie antwortete einsilbig und wirkte völlig passiv.
    »Ihr Mann hielt gerade eine Ansprache, als er erschossen wurde. Worüber sprach er?«
    »Ich habe nicht so genau hingehört. Er hieß alle willkommen und dankte für gute Zusammenarbeit und so weiter. Es waren ja nur Angestellte am Tisch. Außerdem wollten wir kurz darauf für einige Zeit verreisen.«
    »Verreisen?«
    »Ja, wir wollten ein paar Wochen an der Westküste segeln. Wir haben nämlich noch ein Sommerhaus in Bohuslän, das habe ich vergessen zu erwähnen. Und danach wollten wir nach Portugal fahren.«
    »Und das hätte bedeutet, daß Ihr Mann seine Mitarbeiter längere Zeit nicht gesehen hätte?«
    »Genau das.«
    »Und Sie würden sie auch nicht sehen?«
    »Was? Nein, ich sollte mit Viktor mitfahren. Wir wollten später in Portugal Golf spielen. In der Algarve.«
    Mänsson gab die Schlacht weitgehend verloren. Ihre Indolenz machte es unmöglich, zu entscheiden, wann sie log und wann sie die Wahrheit sagte. Ihre Gefühle waren sehr gut verborgen, wenn sie überhaupt welche hatte. Er stellte eine letzte Frage, die er selbst idiotisch fand und die auf alle Fälle sinnlos war. Sie gehörte aber zur sogenannten Routine. »Können Sie sich jemanden vorstellen, der einen Grund gehabt hätte, Ihrem Mann nach dem Leben zu trachten?«
    »Nein. Wer sollte das sein?«
    Mänsson wuchtete sich aus dem finnischen Supersessel. »Haben Sie vielen Dank, jetzt möchte ich Sie wirklich nicht länger aufhalten.«
    »Keine Ursache.« Sie folgte ihm zum Eingangstor. Er hütete sich, sich umzudrehen und das Trauerhaus noch einmal anzusehen. Sie gaben sich die Hand. Er fand, daß sie ihm die Hand auf sehr merkwürdige Art hinhielt, aber erst als er wieder im Wagen saß, wurde ihm klar, daß sie von ihm erwartet hatte, er werde ihr die Hand küssen.
    Sie hatte dünne Hände mit langen, schmalen Fingern. Von den beiden Sportwagen war der rote Jaguar verschwunden. Es war unerträglich heiß.
    »Pfui Teufel«, sagte Mänsson zu sich selbst und schaltete die Zündung ein.

8
    Martin Beck schlief tief und traumlos und wachte am Sonnabendmorgen erst um fünf nach neun auf. Er hatte am Abend zuvor mit Mänsson zusammen im Hotel gegessen, hervorragend, wie man es in Schonen kann. Er fühlte sich noch immer leicht benommen

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