und du bist weg
nicht zu denken gewesen, allerhöchstens waren ihr mal für eine halbe Stunde die Augen zugefallen, bevor sie wieder hochgefahren war.
Hofmann hatte sie am gestrigen Abend nach Hause gebracht. Ulli war wie ein Flummi durch die Wohnung gesprungen, natürlich hatte er im Radio längst die Sensationsmeldung gehört, ohne zu wissen, was genau vorgefallen war. Wahrscheinlich hatte er sie insgeheim schon im Leichenschauhaus gesehen. Seine Erleichterung, als Katharina endlich die Treppe hochstolperte, war ziemlich schnell dahin gewesen, als sie ihm erzählt hatte, was passiert war.
Die Tagesschau hatte, direkt vor der Wettervorhersage, einen kurzen Filmbericht gezeigt. Obwohl der Reporter den Vorfall so sachlich wie möglich schilderte, saß Katharina mit geballten Fäusten vor dem Bildschirm. Wenigstens hatte der Sender kein einziges Bild von ihr veröffentlicht.
Ulli hatte sich toll verhalten, sich stumm neben sie gesetzt und war einfach da gewesen, als sie ihn brauchte.
RTL benutzte die Geschichte als großen Aufmacher für die Spätnachrichten. Der Bericht passte sich nahtlos dem Niveau der anschließenden Telefonsexwerbung an, von schießwütiger Polizei war die Rede, von schlechter Ausbildung und überforderten Beamten. Aber auch hier war Katharina nicht im Bild gewesen. Lohkamps Maßnahme, sie still vom Ort des Geschehens verschwinden zu lassen, ließ den dümmlich aus der Wäsche grienenden Reporter über wilde Verschleierungstaktiken der Polizei schwadronieren.
Die Zeitungen vom Morgen hatten Katharina dann den Rest gegeben. Die seriösen Blätter orientierten sich zwar an den Aussagen der Pressekonferenz und brachten fast wörtlich Lohkamps Bericht, das größte Boulevardblatt der Republik allerdings dichtete mal wieder wild drauflos. Nach deren Erkenntnissen hatte eine übernervöse Polizistin ohne Rücksicht auf ihre Kollegin ein komplettes Magazin leer geballert, bevor sie mit einem Schock ins Krankenhaus gebracht werden musste. Der halbe Toast, den Katharina bis dahin geknabbert hatte, kam postwendend wieder hoch. Aber auch hier war nirgends ihr Name zu lesen oder ein Bild zu sehen.
»Möchtest du noch etwas trinken?«
Erschrocken fuhr Katharina herum. Ulli betrat den Balkon und knallte sich neben sie auf seine Liege.
»Danke, ich hab noch.«
Zander nickte und angelte sich eine Zigarette aus den Taschen seiner Shorts. Seit ihr Nachwuchs da war, qualmte er konsequent nur noch auf dem Balkon, ohne dass Katharina ihn ermahnen musste. »Wie geht’s dir?«
»Blendend«, gab Katharina zurück. »Sieht man das nicht.«
Ihr Lebensgefährte nahm einen tiefen Zug. »Nein. Ganz und gar nicht. Man könnte eher vermuten, du gibst in den nächsten zwei Stunden den Löffel ab.«
»Keine Bange, ein wenig länger halt ich noch durch.«
»Soll ich uns ’n Happen zu essen machen? Im Kühlschrank steht noch Hackbraten.«
»Bloß nicht«, meinte Katharina sofort. »Ich hab keinen Appetit.«
»Das glaube ich dir aufs Wort. Trotzdem musst du etwas zu dir nehmen.«
Katharina atmete tief durch, um nicht zu explodieren. »Ulli, lass es, bitte. Wenn ich Hunger habe, esse ich schon was. Nerv mich nicht.«
Der Sozialarbeiter schnippte die Asche von der Spitze seiner Kippe und sah aufmerksam zu Katharina herüber. »Kleines, ich mach mir Sorgen um dich. Du darfst dich nicht fertig machen.«
»Und was soll ich deiner Meinung nach tun?«, entgegnete Katharina scharf.
Ulli konzentrierte sich auf seine Zigarette. »Keine Ahnung. Aber es bringt weder dir noch deiner bedauernswerten Kollegin etwas, wenn du dich zerfleischst. Herrgott noch mal, du hattest keinen Einfluss darauf, was gestern Abend passiert ist!«
»Woher willst du das denn wissen?«, ätzte die Blonde.
»Heute Morgen hat dein Chef angerufen und gefragt, wie es dir geht«, erklärte Ulli ruhig. »Bei der Gelegenheit hat er mir den vorläufigen Bericht vorgelesen.«
»Na toll. Dann ist ja alles in bester Ordnung.«
Zander seufzte und bediente sich an ihrem Eistee. »Gar nichts ist in Ordnung. Menschenskind, ginge es dir genauso beschissen, wenn du nur diesen Verbrecher erschossen hättest? Es war Notwehr.«
Katharina setzte zu einer Antwort an, aber Ulli war schneller: »Als du dich für diesen Job entschieden hast, war dir doch hoffentlich klar, dass du mal in eine solche Situation kommen könntest. Kriminalbeamte müssen nun mal mit einem anderen Berufsrisiko leben als Buchhalter oder Ökotrophologen.«
»So lange ich diesen Job mache, habe ich noch nie
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