Und eines Tages kommt das Glück
ernst.
Schließlich hatte Veronica nur das Glück gehabt, reich zu heiraten, dachte Kathryn jeden Abend, wenn sie von ihrem Zimmer aus, in dem sie Schularbeiten machte, auf den Garten hinausschaute. Dies alles hatte sie nicht aus eigener Kraft erreicht. Doch Kathryn wollte es allein schaffen. Ihr war unverständlich, warum eine Frau sich wünschen sollte, dass ein Märchenprinz kam und sie auf sein Schloss entführte (nicht dass dies heutzutage noch geschah), aber viele junge Frauen ihres Alters schienen der Ansicht zu sein, dass eine Ehe auf wundersame Weise alle Probleme löste, statt zu begreifen, dass dadurch nur neue entstanden. Kathryns beste Freundin Sybil kannte kein anderes Thema, als zu heiraten, einen Seelenverwandten zu finden und einen Menschen ganz allein für sich zu haben.
»Aber ein Mann gehört einem doch nicht«, sagte Kathryn eines Tages zu ihr. »Man lebt nur zusammen. Und dann haben Männer noch die unangenehme Eigenschaft, auch wieder zu verschwinden.«
»Warum bist du eigentlich so verdammt zynisch?«, fragte Sybil. »Du hörst dich an wie ein weises altes Weib, das aus lebenslanger Erfahrung spricht.«
»Mein Vater ist gestorben«, erwiderte Kathryn, »und mein Stiefvater hat uns verlassen. Deswegen haben Vaterfiguren bei mir nicht unbedingt einen guten Ruf.«
»Das ist aber wirklich eine einzigartige Situation.«
»Leider nicht«, widersprach Kathryn. »Mehr und mehr Menschen sind heutzutage in zweiter, dritter oder gar vierter Ehe verheiratet. Einen Mann zu finden heißt noch lange nicht, dass es auch für ewig hält.«
Sybil hatte daraufhin geringschätzig geschnaubt. Aber Kathryn wusste, dass sie recht hatte. Und nichts, was während ihres Studiums geschehen war, hatte sie vom Gegenteil überzeugen können. Freunde kamen und gingen, aber sie blieb weiterhin der Ansicht, dass Männern nicht zu trauen war. Der einzige Mensch, auf den man sich verlassen konnte, war man selbst.
Kathryn war im Rahmen eines Austauschprogramms in die amerikanische Niederlassung ihrer Firma, für die sie in Dublin arbeitete, in die Vereinigten Staaten gekommen, um sich hier eine Existenz aufzubauen, und sie verliebte sich in New York wie nie zuvor in einen anderen Ort. Sie liebte die prickelnde Hektik und die taffen, optimistischen Bewohner dieser Megacity. Endlich lag ihr Veronica nicht mehr ständig in den Ohren, sich doch die Haare schneiden zu lassen oder sich eine neue Garderobe anzuschaffen, und so streckte Kathryn in dieser Stadt voller Luxuskaufhäuser und Designerboutiquen vorsichtig ihre Fühler in die Welt der Mode aus und stellte fest, dass sie Gefallen daran fand.
Eines Tages betrat sie den Red Door Spa von Elizabeth Arden, und als sie am Abend den Schönheitssalon wieder verließ, war sie eine vollkommen andere Frau. Sie hatte sich die Haare schneiden und färben, die Fingernägel maniküren und eine Gesichtsbehandlung machen lassen und dabei mehr über Schönheit und Make-up gelernt als in der ganzen Zeit, in der sie Veronica am Frisiertisch zugesehen hatte, wie diese ihre Kriegsbemalung auflegte.
Kathryn mochte es vielleicht noch immer nicht gutheißen, wenn eine Frau Stunden vor dem Spiegel verbrachte, aber mittlerweile sah sie es ein, dass eine gepflegte Erscheinung durchaus
von Vorteil war. Als weiteres Argument sprach dafür, dass ihre eigene Karriere kurz nach ihrer äußeren Verwandlung einen steilen Aufschwung nahm.
Und dann hatte sie Alan Palmer kennengelernt. Manchmal fragte sie sich, ob sie ihm überhaupt aufgefallen wäre, hätte sie nicht die Behandlung in dem Schönheitssalon hinter sich gehabt, aber eigentlich hatte sie nur die Verpackung aufgepeppt, sozusagen einen Relaunch gestartet, um in der Marketingsprache zu bleiben. Die Frau hinter der Fassade war dieselbe geblieben.
Und deshalb hatte sie es kaum fassen können, dass ein Mann wie Alan – gut aussehend, erfolgreich und charmant – sie heiraten wollte. Anscheinend schleppte Kathryn noch immer die alte Vorstellung von sich selbst als Bäume umarmende Umweltaktivistin mit sich herum, über die Veronica sich so gern lustig gemacht hatte. (Sie hätte nichts dagegen gehabt, einen Umweltaktivisten zu heiraten, dachte Kathryn manchmal, diese Exemplare waren heutzutage heiß begehrt, aber sie hatte nie einen getroffen.)
Ihre Hochzeit feierten sie ebenfalls im Four Seasons – Alan liebte dieses Hotel –, und Kathryn fand es rührend, dass er den Hochzeitsempfang am selben Ort wie ihre Verlobung abhalten
Weitere Kostenlose Bücher