Und eines Tages kommt das Glück
sollte sie nicht hierbleiben? Hat sie hier nicht ein herrliches Zuhause? Ist das nicht tausendmal besser als ein Zelt in Ägypten oder irgend so eine Bretterbude in Australien? Warum sollte sie nicht bleiben wollen?«
»Sie würde dir nur dein gewohntes Leben durcheinanderbringen«, sagte Kathryn. »Das stellst du dir jetzt so schön vor, weil du die letzten paar Monate ans Haus gefesselt warst. Aber wenn es dir wieder besser geht und du wieder unter die Leute kannst – was dann?«
»Es hat sich so manches verändert«, erklärte Veronica. »Ich bin nicht mehr dieselbe wie zuvor. Man weiß, dass ich krank war, und jetzt sehen die Leute mich mit anderen Augen.«
»Sei nicht albern«, meinte Kathryn.
»Doch, das ist so!«, protestierte Veronica. »Statt in mir weiterhin eine Frau zu sehen, die kraftvoll mitten im Leben steht, werden sie in mir in Zukunft bestimmt ein altes Weib sehen, das beim Bücken jedes Mal ächzt und stöhnt.«
Kathryn konnte nur mühsam ein Kichern unterdrücken.
»Aber das stimmt«, beharrte Veronica. »Warte nur, junge Dame, irgendwann wirst du das auch noch erleben.«
»Egal, ob das stimmt oder nicht«, warf Kathryn ein, »du willst doch nur aus einem Grund, dass Romy bleibt – weil du dich nämlich an ihre Gesellschaft gewöhnt hast. Ihr mögt ja durchaus einen Waffenstillstand geschlossen und eure Differenzen überwunden haben, aber letzten Endes ist sie wie Dermot. Es treibt sie hinaus in die Ferne. Und sie wird bestimmt nie das tun, was du von ihr willst. Das schaffst du nicht. Wenn du wieder fit bist, wird sie kaum länger hierbleiben wollen.«
»Es war doch nur so ein Gedanke«, sagte Veronica kleinlaut. »Das ist alles.«
»Den Gedanken solltest du dir schleunigst aus dem Kopf schlagen«, erklärte Kathryn schroff. »Romy wird nie mehr für immer
nach Hause kommen, und das solltest du von ihr auch nicht erwarten. Denn wenn sie es täte, dann würdet ihr beide bald wieder anfangen, euch zu hassen und aufeinander loszugehen.«
Während sie in dem Baucontainer darauf wartete, zu dem Vorstellungsgespräch gerufen zu werden, sah Romy sich neugierig um. Der Vorraum hing voller schematischer Darstellungen und Fotos des Geländes in einem frühen Stadium der Ausgrabung, bei deren Anblick ihr Herz in nervöser Vorfreude schneller schlug.
Drei Monate, sagte sie sich, während sie eine Aufnahme des Geländes vor Beginn der Arbeiten betrachtete. Drei Monate waren nicht lange. Danach konnte sie nach Australien zurückkehren, hoffentlich mit reichlich Erfahrung als Schnittleiterin im Gepäck, und niemand aus ihrer Familie könnte sie jemals wieder als selbstsüchtig und gedankenlos bezeichnen oder boshafte Kommentare darüber machen, dass sie sich in der Weltgeschichte herumtrieb und darüber ihre Verantwortung vergaß. Und vielleicht hätte nach diesen drei Monaten auch Keith vergessen, dass sie ihm ihre Liebe gestanden hatte, und sie würden es schaffen, wieder Freunde zu werden. Rein platonisch natürlich. Zumindest hoffte sie das.
»Romy Kilkenny?« Die Tür zu dem kleinen Büro ging auf, und ein großer, kräftiger Mann streckte seinen Kopf heraus.
»Ja.«
»Ich bin Taig. Ich bin der Grabungsleiter. Unterhalten wir uns ein wenig.«
Romy war Taig auf Anhieb sympathisch. Er erinnerte sie ein wenig an Keith. Nicht an den Keith, wie er jetzt war, mit kurzem Haar und im Anzug, sondern an den Keith von früher. Taig trug ein altes T-Shirt und Jeans, das schulterlange, dunkle Haar hatte er im Nacken zusammengebunden. Seine grauen Augen betrachteten sie nachdenklich, und sein Lächeln war offen und freundlich. Er erkundigte sich nach Romys bisheriger Berufserfahrung, und
sie erklärte ihm, weshalb sie an der Stelle interessiert war. Taig wollte wissen, ob sie bereit wäre, nach der Ausgrabung weiter an der wissenschaftlichen Auswertung mitzuarbeiten. Das käme auf die Umstände an, meinte sie. Damit könne er leben, erwiderte er und fügte hinzu, dass die Ausgrabungen in der nächsten Woche beginnen würden und dass sie sich bereithalten solle.
»Ja, dann habe ich also den Job!« Freudig erstaunt sah sie ihn an.
»Natürlich«, erklärte er ihr. »Sie verfügen über große Erfahrung. Wir freuen uns, Sie an Bord zu haben.«
»Ausgezeichnet!« Romy lächelte, beteuerte nochmals, dass sie sich auf die Zusammenarbeit freue, stieg in Veronicas silberfarbenen Golf und machte sich an die Heimfahrt.
Ein Blick auf die Uhr zeigte ihr, dass es in Perth jetzt Viertel vor ein Uhr
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