Und eines Tages kommt das Glück
der täglich an Umfang zulegte (oder vielleicht sogar stündlich, dachte sie missmutig), hing nichts in ihrem Kleiderschrank, was besser an ihr ausgesehen hätte.
Giselle wusste, dass sie wieder ein Mädchen erwartete (was sie Darragh, der auf einen Sohn hoffte, bisher verschwiegen hatte), und konnte nicht fassen, dass sich diese Tochter womöglich zu einem dicken Kind entwickeln würde. Es hieß zwar, dass die Größe des Bauchs nichts mit der Größe des Babys zu tun habe, aber Giselle hatte da so ihre Zweifel.
Wie hasste sie doch dieses Gefühl, sich fett und unattraktiv vorzukommen. Und sie hasste die Vorstellung, Darragh könnte sich bei ihrem Anblick irgendwann einmal fragen, wie die Frau, die er geheiratet hatte, sich in diesen Elefanten hatte verwandeln können.
Giselle drehte sich vor dem Spiegel um ihre Achse. Ihr Gesicht war pausbäckig, und ihre Arme waren wabbelig. Aber die größten Sorgen machte ihr das Kind, das sie erwartete.
Sie wollte kein dickes Kind bekommen. Sie wollte ihrer Tochter nicht unzählige Diätversuche und die Mühsal disziplinierten Essens aufzwingen müssen. Das war für sie schon schlimm genug gewesen. In der heutigen Welt konnte eine Frau es sich nicht leisten, dick zu sein, und deswegen hatte Giselle sich seitdem fast nur noch von Salat und magerem Fleisch ernährt, aber dieses Baby
schien seinen eigenen Kopf zu haben. Ihre Tochter hatte ihren Appetit offenbar von Darragh und ihre Veranlagung zum Dickwerden von ihr geerbt. Wenn Darragh das erste Mal seine neugeborene Tochter sah, würde er sich bestimmt fragen, wie sie es geschafft hatten, dieses riesige Baby zu produzieren, und dann würde er dahinterkommen, dass auch sie früher einmal dick und unförmig gewesen war. Giselle hatte ihm nie Bilder aus ihrer molligen Phase gezeigt, nur belanglose Kinderfotos und Aufnahmen aus der Zeit nach ihrem dramatischen Gewichtsverlust. Es kam auf keinen Fall infrage, dass Darragh sie jemals anders als in ihrem heutigen (vorschwangerschaftlichen) Zustand vor Augen haben sollte – nämlich rank und schlank. Und auf keinen Fall wollte Giselle, dass er sich mit einem Pummelchen als Tochter abfinden musste.
Ich werde heute Abend nicht viel essen, sagte sie sich tapfer. Ich werde mich nicht mehr gehen lassen. Und der kleinen Miss Mollie in mir werde ich klarmachen, dass sie sich nicht jeden Tag den Bauch vollschlagen kann! Darragh hat angekündigt, dass Veronica ihre schreckliche Rindfleisch-Guinness-Pastete machen wird, und so etwas esse ich ohnehin nicht. Etwas Deftigeres gibt es ja wohl kaum! Für Darragh war das die reinste Nervennahrung, und er freute sich darauf, aber Giselle überlegte, ob sie Veronica nicht stattdessen um einen grünen Salat bitten sollte.
Aber vielleicht musste sie wenigstens einen Anstandshappen davon essen, wenn sie heute Abend einen guten Eindruck hinterlassen wollte. Auch wenn das der kleinen Mollie (wie Giselle ihre ungeborene Tochter insgeheim nannte) Gelegenheit böte, weitere Pfunde zuzulegen! Trotzdem könnte es wichtig sein, Veronicas Spezialität wenigstens noch dieses eine Mal über sich ergehen zu lassen. Giselle wusste zwar, dass Veronica sie gernhatte, aber sie musste unbedingt sicherstellen, dass ihr auch weiterhin mehr an ihrer Schwiegertochter als an Kathryn oder Romy lag. Bisher hatte Giselle den Faktor Schuldgefühle bei ihrer Schwiegermutter
vollkommen unterschätzt. Zunächst hatte sie es sogar als Vorteil angesehen, dass Romy im Haus war, denn dadurch wurde sie der Pflicht um Veronicas Pflege enthoben, während andererseits damit zu rechnen war, dass sich die Kluft zwischen ihrer Schwiegermutter und der jüngsten Tochter weiterhin vertiefen würde. Doch das war nicht passiert, und Kathryns Ankunft hatte gar zu einer Art Versöhnung geführt, was in Giselle zusätzlich Panik hervorrief. Es war nicht vorgesehen, dass Veronica gut mit ihren Töchtern auskam. Nicht eine Sekunde hatte Giselle geglaubt, dass es jemals dazu kommen würde.
Für Giselle war es nämlich von größter Bedeutung, dass die beiden Schwestern bei Veronica erst an zweiter Stelle und weit hinter Darragh rangierten – und damit natürlich auch hinter ihr. Die Mutter von Veronicas Enkeltochter zu sein konnte sie als Trumpf für sich verbuchen, ebenso, dass sie erneut schwanger war. Doch das reichte eventuell nicht. Giselle war viel daran gelegen, dass Veronicas Unterstützung einzig und allein ihrem Sohn Darragh galt. Sie wollte nicht, dass diese blasierte Kathryn oder
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