Und eines Tages kommt das Glück
was Romy eigentlich tat. Doch wohin würde die Karriere ihrer Tochter sie noch führen?, überlegte Veronica. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass sie für immer alte Skelette ausgraben würde, aber vermutlich war das nicht so abwegig. Und welche Chance hatte Romy, einen Mann fürs Leben zu finden, wenn sie ständig in der Welt herumreiste? Veronicas Gefühl nach war Romy in diesen australischen Freund verliebt, den sie erwähnt hatte. Sie kannte die Anzeichen – die Art, wie Romy jedes Mal, wenn das Telefon klingelte, erwartungsvoll aufsprang oder wie sie ständig ihre SMS und E-Mails checkte. Veronica hatte große Erfahrung mit Frauen, die in Männer verliebt waren, die diese Liebe nicht erwiderten, und sie war überzeugt, dass Romy sich momentan genau in dieser Situation befand. Aber ihre Tochter wiegelte sofort ab, wann immer sie das Thema anzusprechen versuchte, und Veronica wusste, dass es keinen Sinn hatte, sie zu bedrängen, auch wenn sie noch so neugierig war. Es hätte ihr allerdings gefallen, wenn Romy sich ihr ebenso anvertraut hätte wie Giselle. Mit ihrer Schwiegertochter konnte sie über alle möglichen Belanglosigkeiten plaudern, Romy hingegen schien den Mund nur aufzumachen, um mit ihr zu streiten. Und anvertrauen würde sie sich ihr nie und nimmer.
Veronica schüttelte den Kopf. Wie hatte sie es nur geschafft, bei ihrer jüngsten Tochter so gründlich zu versagen? Lag es daran, dass Romy nach der Scheidung die meisten Wochenenden bei Dermot verbracht hatte? Veronica hatte jedes Mal sehr darunter gelitten, wenn Romy am Freitagabend zu ihrem Exmann gefahren und über die Wochenenden und auch in den Ferien bei ihm geblieben war. Dermot hatte seine Tochter nach Strich und Faden verwöhnt und nie etwas von ihr verlangt, während Veronica die böse Mutter gewesen war, die Romy wegen der Schularbeiten hatte nerven und früh zu Bett schicken müssen. Vielleicht war das der Grund. Aber bei Kathryn habe ich auch nicht unbedingt mehr Erfolg, dachte Veronica. Und Kathryn hatte die ganze Zeit über bei ihr gelebt. War sie denn wirklich so eine Rabenmutter?
Das Telefon klingelte. Es war Darragh, der sich wieder aus dem Ausland zurückmeldete und an dem Abend noch auf einen Sprung vorbeischauen wollte.
Wenigstens bei meinem Sohn habe ich nicht alles falsch gemacht, dachte Veronica. Wenigstens bei ihm habe ich als Mutter nicht versagt!
Während Veronica und Darragh miteinander telefonierten, ging Romy nach oben und schaltete ihren Computer ein. Beim Durchsehen ihrer Mails stellte sie erfreut fest, dass Tanya sich mit dem neuesten Klatsch von Heritage Help gemeldet hatte. Doch als sie las, dass Pam Tanya auf die Ausgrabung in Melbourne angesprochen hatte, stieg Zorn in ihr hoch. Wenn Pam ihr die Leitung des Projekts anbot, musste sie wohl annehmen, dass Romy nicht mehr zurückkam.
Romy schrieb rasch eine Antwort an Tanya – sie könne es kaum erwarten, bald wieder zurückzukehren – und eine weitere an Pam, der sie versicherte, Irland hoffentlich bald verlassen zu können. Romy hatte zwar keine Ahnung, wann sie tatsächlich zurückfliegen würde (sie würde sich Veronicas Bitte, noch länger
zu bleiben, gründlich überlegen müssen), aber sie würde auf keinen Fall zulassen, dass Pam glaubte, sie könne ihr in Melbourne Tanya vor die Nase setzen.
Romy klickte auf die Webcam von Heritage Help, aber da es in Australien mitten in der Nacht war, war der Raum zu dunkel, um etwas erkennen zu können. Romy lehnte sich zurück, schloss die Augen und dachte an die Sträflingskolonie und an die schwangere Frau. Was sie wohl alles hatte durchmachen müssen? Und dann sagte sie sich, dass ihre Probleme und der Frust, wieder in Irland zu sein, nichts waren im Vergleich zu dem, was das arme Mädchen hatte erleiden müssen.
Spontan ging Romy wieder in ihr Mail-Programm und schrieb ein paar Zeilen an Keith: Wie schrecklich ihr die Freunde in Australien fehlten, dass sie schon Lagerkoller vom ewigen Herumsitzen zu Hause habe und dass ihr einziger kreativer Beitrag zur irischen Gesellschaft bisher nur darin bestehe, Geld auszugeben, noch dazu in riesigen Einkaufszentren. Das würde Keith bestimmt amüsieren. Er wusste, wie ungern sie einkaufen ging. Die Sätze plätscherten fröhlich und unbeschwert dahin, sodass Keith sicher nicht auf den Gedanken kam, Romy könnte romantische oder gar erotische Hintergedanken haben. Muntere Mails wie diese hatte sie ihm bereits in der Vergangenheit geschrieben. Nur weil er
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