Und erlose uns von dem Bosen
Sprengstoffhund beschnuppern. Eine hübsche junge deutsche Schäferhündin,
der chien explo , näherte sich sehr vorsichtig und beäugte den Koffer, als sei dieser ein Hunderivale.
Als die Hündin auf vier Meter herangekommen war, erstarrte sie. Ein tiefes Knurren kam aus ihrer Brust. Sie stellte die Nackenhaare auf. O ScheiÃe! O Gott!, dachte ich.
Die Hündin knurrte weiter, bis sie sich sicher war, dass der Kofferinhalt radioaktiv war. Dann lief sie schnell zu ihrem Führer zurück. Was für eine gescheite Schäferhündin. Ich war wieder allein. Nie im Leben hatte ich gröÃere Angst gehabt. Nichts war mir so unter die Haut gegangen. Der Gedanke, in die Luft gesprengt und möglicherweise vaporisiert zu werden, ist nicht angenehm. Er ist nicht leicht zu verdauen.
Es kam mir wie eine Ewigkeit vor, obwohl es nur ein paar Minuten waren, bis zwei Männer vom Sprengstoffkommando in Raumfahreranzügen vorsichtig in meine Richtung marschierten. Ich sah, dass einer einen Bolzenschneider trug. Gott segne ihn! Alles war total surreal.
Der Mann mit dem Bolzenschneider kniete neben mir nieder. »Alles okay«, flüsterte er. Dann durchtrennte er vorsichtig die Handschellen.
»Sie können jetzt gehen. Stehen Sie ganz vorsichtig auf«, sagte er. Ich stand vorsichtig auf und rieb mir das Handgelenk. Dabei wich ich schon vom Koffer zurück.
Meine wie Aliens aussehenden Begleiter gingen schnell aus der »heiÃen Zone«, wie man sie offiziell nannte, zu zwei schwarzen Vans vom Sprengkommando, die dort parkten. Allerdings waren die Vans noch im Bereich der »heiÃen Zone«. Wenn eine Atombombe in die Luft ging, wäre mindestens eine Quadratmeile von Paris in einem Sekundenbruchteil vaporisiert.
Aus dem Van heraus beobachtete ich die Techniker, die die Bombe deaktivieren sollten. Sofern sie es konnten. Dabei kam
mir nie in den Sinn, den Schauplatz zu verlassen. Die nächsten paar Minuten waren die längsten meines Lebens. Niemand im Van sagte ein Wort. Wir hielten alle den Atem an. Die Vorstellung, sehr plötzlich zu sterben, war nahezu unmöglich zu begreifen.
Wir hörten die Meldung der französischen Bombenspezialisten: Der Koffer ist offen.
Keine Minute später: »Das spaltbare Material ist da. Es ist echt. Leider scheint alles funktionstüchtig zu sein.«
Die Bombe war echt. Es war keine leere Drohung. Der Wolf hielt seine Versprechen. Dieser sadistische Schweinehund war alles, was er zu sein behauptete.
Dann sah ich, wie ein Techniker begeistert den Arm hochriss. Lauter Jubel im Van. Anfangs hatte ich nicht begriffen, was los war, aber offensichtlich war es das Zeichen einer guten Nachricht. Niemand machte sich die Mühe, mir etwas zu erklären.
»Was ist passiert?«, fragte ich schlieÃlich auf Französisch. Einer der Männer im Van drehte sich zu mir um. »Kein Zünder! Sie konnte nicht explodieren. Gott sei Dank, sie wollten nicht, dass sie explodierte. Sie wollten nur, dass wir uns vor Angst in die Hosen machen.«
»Bei mir hatâs funktioniert«, sagte ich. »Und ich lüge nicht.«
82
Während der nächsten Stunden stellte sich heraus, dass die Kofferbombe über alles verfügte, was zu einer Atomexplosion nötig war â abgesehen vom Zünder, einem gepulsten Neutronenemitter. Alle kritischen Elemente waren vorhanden. An diesem Abend konnte ich nichts essen. Ich konnte nichts im Magen behalten, konnte mich überhaupt nicht konzentrieren. Man hatte mich mit negativem Ergebnis untersucht, aber der Gedanke, dass ich durch Strahlung verseucht sein könnte, ging mir trotzdem nicht aus dem Kopf.
Ich bekam genauso wenig Maud Boulard nicht aus dem Kopf: ihr Gesicht, der Tenor ihrer Stimme, unser absurder gemeinsamer Lunch, die Sturheit und Naivität der Polizistin, ihr rotes Haar auf dem Bürgersteig ausgebreitet. Die abgebrühte Brutalität des Wolfs und seiner Leute.
Ich dachte zurück an den Russen, der mich in dem Bauernhaus geschlagen hatte. War das der Wolf gewesen? Warum wollte er, dass ich ihn sehe? Aber weshalb eigentlich nicht?
Ich ging zurück ins Hotel Rebais und wünschte, ich hätte nicht um ein Zimmer nach vorn zur StraÃe heraus gebeten. Ich fühlte mich am ganzen Körper wie betäubt, erschöpft, aber mein Verstand hörte nicht auf, sich mit Lichtgeschwindigkeit zu drehen. Der Krach von der StraÃe war eine Störung, mit der ich jetzt
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