Und ewig währt die Hölle (German Edition)
gerade noch eine Leine und ein Stück Tuch von einem Wanderzelt erkennen. Die Personen auf dem Foto blickten direkt in die Kamera und lächelten. Parisa Sadegh und Frode Darre. Sie waren eine Clique gewesen, mindestens sechs Kollegen auf Wochenendtour in der Nordmarka. Das Foto von ihr und Darre, aufgenommen mit Darres Handy, war ihres Wissens das einzige Erinnerungsstück, das es von dem Ausflug gab. Sie wusste noch, dass sie kurz gestutzt hatte, als das Bild geknipst wurde. Darre hatte auf eine Art, die ihr ganz untypisch für ihn erschienen war, darauf bestanden, dass nur sie beide auf dem Foto sein sollten. Karin Lund, ihre beste Freundin auf der Polizeischule, hatte Fotografin gespielt. Sie hatten während der seltsamen Situation wie kleine Mädchen gekichert. Darre mit seinem runden, fast kahlen Kopf und den leicht vorstehenden Schneidezähnen war alles andere als ein Frauentyp. Zwei Tage später hatte sie das Foto per Mail bekommen, mit einem netten Gruß. Sie hatten nie viel miteinander gesprochen, weder vor der Wochenendtour noch danach, aber ihr war nicht entgangen, dass Darre sich bei den Teambesprechungen oft neben sie setzte. Immer freundlich, immer aufmerksam.
Parisa klappte den Laptop mit einem Knall zu.
«Scheiße, Scheiße, Scheiße!»
Sie legte sich flach auf den warmen Küchenfußboden. War sie ihm aus dem Weg gegangen? Sie spürte das schlechte Gewissen wie einen Stein im Magen. Reiß dich zusammen, Mensch. Sie stemmte die Arme auf den Boden und fühlte sich ein wenig besser, als sie sich achtundneunzig Sekunden und fünfzig Liegestütze später das durchgeschwitzte T-Shirt vor dem Badezimmerspiegel auszog. Darre rückte in ihrem Bewusstsein nach hinten, während ein anderes Gesicht sich in den Vordergrund schob. Sie kniff die Augen zusammen. Begannen ihre Brüste zu hängen? Sie nahm die Schultern zurück und musterte die kleinen Wölbungen. Kaum. Vorsichtig fasste sie unter die linke Brust und spannte die Muskeln an. Sie lächelte ihrem Spiegelbild zu. Eitle Göre, dachte sie. Gleichzeitig durchlief sie ein leichtes Kribbeln, das sie schon lange nicht mehr gespürt hatte. Wann war sie das letzte Mal mit einem Mann im Bett gewesen? Parisa überlegte einen Moment, bis ihr klar wurde, dass sie es sehr gut wusste. Ziemlich genau vor zehneinhalb Monaten. Das war lange her, aber davor hatte es ohne Probleme auch längere Unterbrechungen gegeben. Es war, als würde die Lust auf Sex verschwinden, wenn ihre Gedanken auf etwas anderes fixiert waren, vor allem beruflich. Es kam vor, dass sie daran dachte, aber es quälte sie nicht. Bis vor kurzem. Ob es die biologische Uhr war, die tickte, oder weil sie schon lange keinen Sex mehr gehabt hatte – egal. Sie wollte einen Mann.
Haakon war attraktiv, das musste man ihm lassen, und charmant und … gepflegt. Sie musste selbst über ihre Aufzählung lächeln. Ich treibe mich schon zu lange in Singlebörsen herum, dachte sie.
Sie zog den Slip aus, drehte die Dusche auf und griff zu einer Flasche unparfümiertem Duschgel auf dem Wannenrand. Im selben Moment hörte sie ihr Handy im Wohnzimmer klingeln.
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Kapitel 43
«Jannik’s Pub, Billard, Restaurant, Fußballpub» war fast halb voll, als Parisa Sadegh kurz nach acht eintrat. Lasse Viker hatte sich an einem Tisch in der hintersten Ecke niedergelassen. Die Cola vor ihm war bereits zur Hälfte geleert.
«Nicht der schlechteste Ort, um einen Sonntagabend zu verbringen.» Er zeigte auf einen Großbildfernseher, der ein paar Meter entfernt hing. «WM-Finale 78. Argentinien – Niederlande. Erinnerst du dich an Kempes?»
Parisa seufzte.
«Da war ich fünf.»
Viker versetzte ihr einen gutmütigen Knuff gegen die Schulter, dass sie fast vom Stuhl gefallen wäre.
«Ich könnte dein Vater sein. Pizza?»
«Bloß nicht. Was ich letztes Mal hier gesehen habe, hatte nur entfernt Ähnlichkeit damit.»
Sie winkte dem Kellner, einem schlaksigen Jüngling mit kurzgeschorenen roten Haaren und Pickeln auf der Stirn.
«Cola light, ohne Eis.»
«Wir haben nur Pepsi Max.»
«Meinetwegen. Ohne Eis.»
Der Rotschopf wischte mit einem stinkenden Lappen ein paar Krümel vom Tisch. Viker hängte seinen dicken Anorak über den Stuhlrücken.
«Schrecklich, das mit Darre.»
«Ganz furchtbar.»
Das hatten sie schon vor Stunden gesagt, viele Male, aber sie mussten es immer wiederholen.
«Wo ist unser Mann?» Lasse Viker wandte den Blick vom Fußballspiel ab und sah sich suchend im Lokal um.
«Am
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