Und ewig währt die Hölle (German Edition)
gebracht.»
Der junge Polizeianwärter legte einen großen braunen Umschlag auf den überfüllten Schreibtisch, nickte kurz und schloss die Tür hinter sich.
Parisa sah das Telenor-Logo in der Ecke und riss den Umschlag auf. Er enthielt einen Stapel engbedruckter Seiten mit einem gelben Post-it-Zettel obendrauf.
«Das ist alles, was an Kommunikation zwischen Lakshmi Singh und ‹Terje› bei match.no stattgefunden hat. Die Identifizierung von ‹Terje› ist schwierig, weil seine Mails, wie bereits vermutet, von drei verschiedenen Internetcafés in Oslo abgeschickt wurden. Viel Spaß beim Lesen!» Dann eine Unterschrift, die Parisa nicht entziffern konnte.
Sie blätterte rasch durch den dünnen Stapel, überflog den Text und blätterte zurück. Die Initiative war von «Terje» ausgegangen.
«Hübsches Mädchen mit einem tollen Namen.» Er hatte ein paar Worte auf Hindi hinzugefügt, die nicht übersetzt worden waren. Faule Säcke. Parisa suchte nach der Uhrzeit. Lakshmi hatte nach sieben Minuten geantwortet. Viel zu schnell, dachte Parisa.
Während sie las, drängte sich ihr immer mehr der Gedanke auf, dass sie selbst dieses Mädchen hätte sein können. Alles schien normal: Single, sympathischer Mann, trifft Single, sympathische Frau.
Lakshmi hatte keine Chance gehabt, vorherzusehen, was sie erwartete. Keine. «Terje» wirkte stark und maskulin, ließ aber gleichzeitig durchblicken, dass er auch empfindsam war. Jedes Wort war sorgfältig abgewägt. Jeder Satz zynisch kalkuliert. «Terje» wusste genau, welche Knöpfe er drücken musste, und er tat es mit einem Einfühlungsvermögen, das Parisa anekelte. Ein Verdacht keimte in ihr auf und wurde immer stärker.
Die ganze nächste Stunde suchte sie nach Spuren in den engbeschriebenen Papieren. Um 13.07 Uhr steckte sie den Stapel wieder in den Umschlag, mit einer maschinengeschriebenen Notiz für Lykke.
Ihre Schlussfolgerung war kurz und bündig: «Ich bezweifle, dass Gusev über die Menschenkenntnis verfügt und nicht zuletzt ein so elaboriertes Norwegisch beherrscht, dass er das geschrieben haben kann.»
Was für ein Fall. Sie stützte den Kopf in die Hände. Wenn Gusev es nicht gewesen war, wo standen sie dann? Die Antwort war unangenehm eindeutig: vor dem Nichts.
Sie nahm den Hörer des Festnetztelefons ab und wählte die Nummer der Werbeagentur Pepper & Salt. Sie hatte einige Fragen an die gute Frau Wennersten.
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Kapitel 55
Lykke ließ die Rückenlehne des alten Bürostuhls auf der untersten Stufe einrasten, legte sich zurück und schloss die Augen. Für einen kurzen Moment fühlte es sich gut an, bis der Stuhl nach hinten kippte und er sich nach vorn werfen und am Schreibtisch festklammern musste, um nicht auf den Boden zu knallen.
«Himmel, Arsch und Zwirn!»
«Störe ich?»
Polizeidirektorin Breiby stand plötzlich in der Tür und blickte von Lykke zu dem umgekippten Stuhl.
«Ich brauche dringend einen neuen», knurrte er.
Breiby schlängelte sich an ihm vorbei und ging zum Fenster.
Sie hat gute Laune, dachte Lykke. Sie glaubt, der Fall ist gelöst. Sie will , dass der Fall gelöst ist. Jetzt wird sie die Pressekonferenz ansprechen und danach wieder wegen der Beförderung zum Oberkommissar nerven.
«Wir müssen am Nachmittag eine Pressekonferenz geben», sagte Breiby lächelnd. «Ich möchte, dass Sie sie leiten. Sie sind schließlich unser Held!»
«Wir sind noch nicht am Ziel.» Lykke bückte sich und stellte den kaputten Stuhl hin. «Wir haben einen Verdächtigen, aber kein Motiv.»
«Ich habe mir erlaubt, Kontakt mit Kripos aufzunehmen. Morgen Nachmittag bekommen wir Bescheid wegen der DNA. Das ist der Vorbehalt, den Sie brauchen.»
Lykke wand sich. Der Gedanke an die Pressekonferenz behagte ihm überhaupt nicht.
«Ganz gleich, ob wir uns absichern oder nicht, die Medien werden es so darstellen, dass der Täter, oder der Blenda-Mann, wenn Sie so wollen, gefasst ist …»
Lykkes Protest schien sie nicht sonderlich zu beeindrucken.
«Egal», sagte sie. «Um siebzehn Uhr bitten wir die Meute in den Presseraum.»
Lykke starrte trotzig aus dem Fenster.
«Ach, noch etwas», fuhr die Polizeidirektorin fort. «Der Posten des Oberkommissars. Haben Sie sich das noch mal durch den Kopf gehen lassen?»
«Ich habe mich noch nicht entschieden.»
«Sie denken also darüber nach?» Breiby konnte nicht verhehlen, dass sie überrascht war.
«Können Sie mir noch ein paar Tage geben?»
«Aber sicher!»
Zum zweiten Mal
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