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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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lauert.“
    Diese Antwort freute sie, ein neues Lächeln flog über ihr Gesicht.
    „Wie sagt Platon so weise?“, schob er rasch nach. „’Man kann es Kindern leicht verzeihen, wenn sie Angst vor dem Dunklen haben. Die wirkliche Tragödie des Lebens liegt darin, dass Menschen Angst vor dem Licht haben.’“
    Ihre Augen strahlten ihn an. „Vor dem Licht habe ich keine Angst!“
    „Davon bin ich überzeugt.“ Jetzt lächelte er. Gebeutelt seufzend, als ihm das bewusst wurde, aber er stellte es nicht ab.
    „Schade nur, dass diese Tapferkeit mich nicht davor schützt, trotzdem Angst vor der Dunkelheit zu haben“, stellte sie mit ihrem trockenen Humor fest. „Allerdings fällt mir da ein anderes Zitat ein. 'Die Tapferkeit schwindet, wenn sie keinen Gegner hat.'“
    Arno lachte. „Demnach kann ich mich glücklich schätzen, mich an der Seite einer tapferen jungen Frau dem Angst einflößenden Gegner Dunkelheit zu stellen.“
    Nun lachte sie. Hell und herzlich. Es war gut, dass sie glücklich war. Äh ... Hastig zog er das Tor ganz auf und ließ sie ins Dunkel treten. Spürte, wie ihre Augen an ihm hängenblieben, sich vergewissernd, dass er auch wirklich mitkäme.  
    „Nun aber schnell“, trieb er sie an.
    „Jetzt habe ich keine Angst“, drang einen Moment später leise an sein Ohr, als sie nebeneinander durch die Düsternis schritten.
    Unwillkürlich gab er ein erwiderndes Brummen von sich.
    Prompt fragte sie weiter: „Habt Ihr nie Angst?“
    Er wollte dieses Gespräch nicht, doch das sich im Echo ihrer Schritte schnell potenzierende Schweigen war noch unangenehmer.
    „Ihr meint, vor der Dunkelheit?“, schränkte er ihre Frage wenigstens ein, „nein.“
    „Und Euer Licht ist Gott, nicht wahr? Ihr habt keine Angst vor irdischen Dingen.“
    Die bewundernde Überzeugung in ihrer Stimme ließ seine Füße sich beschleunigen. Er fühlte sie schon wieder lächeln. Den Luftschwall aus seiner Lunge bremste er, damit sie ihn nicht bemerkte. Erwartete sie darauf eine Antwort?
    In seinem Kopf waren nur Fragen. Warum wolltet Ihr nicht, dass Georg Euch nach Hause geleitet? Er hustete. Und warum habt Ihr ihn dann an Euren Tisch zurückgeholt?  
    Gott sei Ehr und Preis, waren sie an den Stufen angekommen. Er überholte sie, um oben die Tür aufzureißen und sie ungeduldig hindurchzuwinken.
    Sie schien seinen Unwillen nicht einmal zu bemerken. Drehte sich in aller Seelenruhe mitten auf der Schwelle um, ihm wieder direkt zu. Und lächelte.
    Er runzelte die Stirn. Allmählich reichte es einfach.
    „Ich danke Euch sehr.“
    Das hatte sie schon gesagt. Was zum ... wollte sie denn noch?
    „Und Montag ...?“, verlangte sie zaghaft.
    Montag! Und Dienstag und jeden der folgenden Tage. Das hatte er vollkommen vergessen. Suchte mit den Augen herum, als würde er auf diese Weise eine Lösung für dieses Problem finden.
    „Ich kann Euch nicht regelmäßig holen und bringen, das ist unmöglich“, erklärte er schnell und sah ihr Lächeln ersterben. „Ich kann Euch eine Lampe besorgen, eine Öllampe, die wird auch dem Luftzug im Gang standhalten. Wäre das ausreichend?“ Er konnte sie doch nicht täglich durch einen einsamen Gang führen, wie stellte sie sich das denn vor? „Es sei denn, Ihr wollt doch lieber Georg ...?“, forderte er sie heraus.
    „Nein, nein, eine Lampe wäre gut“, versicherte sie ihm schnell. „Dann wird es schon gehen.“
    Warum verweigerte sie sich ihrem zukünftigen Geliebten? Wollte sie sich ihrem Schicksal entgegen stellen? Sich sperren gegen den unvermeidbaren Lauf der Dinge?
    „Dann bis Montag, ich lasse Euch die Lampe an der Pforte bereitstellen“, wirbelte er herum und stürzte sich zurück ins gnädige Dunkel.
     
    Es war anstrengend. Nach wie vor. Sie war anstrengend – aber auch er selbst. Diese Uneindeutigkeit. Dass er nie wusste, wie er sich in einer bestimmten Situation verhalten sollte. Oder dass er sich anders verhielt, als er sollte – ohne sagen zu können, warum. Und dann fielen die Gespräche mit ihr – ob nun im Klassenzimmer, in der Beichte oder auf dem Friedhof – immer wieder aus dem jeweiligen Rahmen. Es war wie ver... Warum konnte Arno mit diesem Mädchen nicht gelassen und routiniert umgehen?
    Woran lag das?
    Statt sich zu antworten, gab er dem Tor zum Finsteren Gang einen zusätzlichen Schubs, damit es umso geräuschvoller ins Schloss fiele, und war schon über den halben Friedhof, als es hinter ihm zuknallte.

Die Mathilda-Irritation
     
     
    Ewig später –

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