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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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Pater Arno plötzlich nicht mehr ihr Lehrer?

Tapferes Geleit durch die Dunkelheit
     
     
    Arno, an der Treppe hinunter zur Bibliothek stoppend, schnitt ein paar Grimassen, um sein verspanntes Gesicht zu lockern. Es gab Tage, an denen er am liebsten davongelaufen wäre, anstatt seine einst geruhsamen Unterrichtsstunden damit zuzubringen, endlos hin- und herzurennen. Oder ersatzweise dieses lächerliche Schauspiel dort unten mit ansehen zu müssen. Er war Lehrer, und er war ihr Lehrer. So wenig ihm das auch gefallen mochte.
    Ihm gefiel es nicht! Er stieß ein freudloses Lachen aus und setzte seinen Fuß auf die erste Stufe. Als ob es danach ginge. Als ob es in irgendwelchen Klosterbelangen um seine Wünsche ginge. Von ihm wurde verlangt – ach was, er war gezwungen – das, was ihm als Aufgabe zugewiesen wurde, zu erfüllen. Was er davon hielt, wie er sich damit fühlte – kümmerte niemanden.
    Sich endlich zum nächsten Schritt aufraffend, nahm er eine Stufe. Und noch eine. Für heute hatte er seine Schuldigkeit beinahe getan. Hartwig war bereits oben verabschiedet, nun würde Arno die beiden Akteure dort unten zurück in ihre jeweiligen Konvente schicken. Anschließend würde er tief durchatmen und sich ein ruhiges Gebet gönnen – und morgen war Sonntag.
    Nun polterten seine Schritte die restlichen Stufen hinunter und stampften durch die Regalreihen.
    Wie lange mochte ihre tugendhafte Trennung heute gedauert haben? Zwei lateinische Sätze? Eine halbe griechische Seite? Als Arno zum zweiten Mal vorbeigeschaut hatte, hatten sie schon wieder einträchtig beisammengesessen, so dicht, dass sich ihre Köpfe beinahe berührt hatten. Und so würden sie garantiert jetzt auch noch sitzen. Na, sollten sie! Ihn, Arno, kümmerte das nicht. Er war schließlich nur ihr Lehrer!
    Eine Idee zu schwungvoll öffnete er die Tür – sie rutschte ihm aus der Hand und knallte an die Wand, sodass die beiden Hübschen wie ertappt herumfuhren.
    „Ich hoffe doch, Ihr zwei habt eine angenehme Zeit verbracht, ja?“, konnte er sich nicht verkneifen und warf Georg im Vorübergehen einen giftigen Blick zu. Der Junge hatte Arnos Befehl, sich bei Mathilda zu entschuldigen, erfüllt - und damit Arno seine Pflicht als beschützender Lehrer. Dass sämtliche Maßnahmen in dieser Richtung vergebens waren – nun ja, das war schließlich das, was er in seinem Experiment beweisen wollte. Er knallte seine Unterlagen auf seinen Tisch.
    „Pater Arno, ich möchte etwas mit Euch besprechen, bitte!“
    Er blickte auf, eine Augenbraue aggressiv hochschnellen lassend, während er sie auf sich zukommen sah. „Ich war davon ausgegangen, dass ein Mann reichte, um Euch in dieser Angelegenheit zu helfen.“
    Ihre verständnislose Bestürzung machte ihn vor sich selbst zurückschrecken. An seinem Bücherstapel herumzuziehen, half da auch nicht wirklich. Konnte er sich nicht besser im Griff haben?
    Sie hatte sich nicht aufhalten lassen, stand nun unmittelbar vor ihm. „Ich wollte meinen Lehrer“, war nur ein Hauch. Und zwar allein, schwang darin mit.  
    Was sollte das? Was wollte sie?
    „Also? Ich bin da.“ Er sah ihr direkt in die Augen, um sie auf Distanz zu halten.
    Sie wich nicht zurück. Lediglich ihr Blick schnellte kurz hinter sich. Sie würde doch aber vor ihrem speziellen Freund nichts zu verbergen haben!
    „Gleich ist Kapitel“, erinnerte Arno sie in normaler Lautstärke. „Falls Ihr also den Vorsatz habt, endlich zu beginnen ...“
    „Ich habe Angst, durch den Finsteren Gang zu gehen.“
    Ganz schnell. Und wieder nur gewispert.
    „Oh. Welch ein Wunder!“ Arno lachte auf und beugte seinen Oberkörper, um an ihr vorbei sehen zu können. „Bruder Georg? Ihr bekommt die Gelegenheit, es diesmal richtig zu machen!“
    Mathilda gab vor, nicht zu verstehen.
    Arno übersetzte an Georgs Adresse – der es offenbar genauso nötig hatte, jedenfalls starrte er verlegen auf seinen Tisch. „Von nun an holt Ihr Eure ... Mitschwester jeden Tag ab und begleitet sie am Abend bis vor das Tor des Frauenkonvents.“
    „NEIN!“
    Huch, so resolut plötzlich! Überrascht blickte Arno in das in Abwehr erstarrte Gesicht seiner jungen Schülerin.
    „Nein?“
    „Nein. Nein, das ist ...“, sie wand sich, stammelte. „Das ist nicht gut, ich meine ...“
    Seine Augenbraue war diesmal auf natürlichem Wege nach ganz oben gewandert, ehe das Misstrauen seine Stirn hinterher runzeln konnte. Tugendhafte Anwandlungen? Nachdem sie Georg gerade mal für die Dauer eines

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