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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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war es nämlich doch, was ihm zu schaffen machte. Sein Vorsatz, sich nicht einzumischen – der ständig an dem Drang scheiterte, Mathilda zu schützen, Georg zu hindern, die beiden auseinanderzubringen. Genau daraus resultierte Arnos oft so unreflektiertes, unberechenbares Verhalten Mathilda gegenüber. Und seine Tendenz, über das Ziel hinauszuschießen. Dieser permanente Gewissenskonflikt war es, der ihn sich so schuldig fühlen ließ.
    Hinzu kam etwas, worüber er schon einmal nachgedacht hatte: die Uneindeutigkeit seiner Rollen Mathilda gegenüber. Er war ihr Priester und ihr Lehrer – und in beiden Rollen begleitete er sie in ihrem Leben. Mathilda hatte eine vertrauensvolle Beziehung zu Arno aufgebaut, sie suchte die Gespräche mit ihm, sie fragte ihn, sie bat ihn um Hilfe. Dabei war es ihr verständlicherweise egal, ob sie Arno, den Priester, oder Arno, den Lehrer, vor sich hatte – und folglich unterschieden sich ihre jeweiligen Begegnungen auch nicht voneinander. Das brachte die Situation mit sich, lag nicht an Arnos mangelnder Kompetenz. Und an sich war ja auch nichts dagegen einzuwenden.
    Wenn man von der Tatsache absah, dass eine enge seelsorgerische Beziehung Arno in besagten Konflikt stürzte, weil er nicht zugleich unbeteiligter Beobachter sein konnte.
    Das war der Kern des Ganzen. Er musste sich entscheiden: Wollte er als Seelsorger Mathilda beschützen und alles tun, um sie zu hindern, in die Sünde zu fallen? Oder wollte er den Dingen seinen Lauf lassen?
    Von Neuem ruckte Arno hoch auf die Beine. Da war er schon wieder einem Denkfehler aufgesessen! Diese Wahl hatte er nämlich nicht. Schließlich hatte er sein Experiment doch gerade aus dem Grund ins Leben gerufen: um der Tatsache Rechnung zu zollen, dass er als Lehrer wie als Seelsorger nur hilflos zusehen konnte, wie aus seinen Schülern ein Liebespaar wurde.
    Das war alles, was in seiner Macht stand – und das würde er von nun an tun. Er würde aufhören, sich den Kopf zu zerbrechen. Er würde kein schlechtes Gewissen mehr haben. Er würde einfach nur abwarten.
    Leichter wurde die Sache dadurch, dass es nicht lange dauern würde. In ein paar Wochen wäre alles vorbei - und die beiden ein für allemal aus seinem Leben verschwunden. Es war wirklich einfach.
    „Jesus Christus, ich danke Dir!“ Inbrünstig erleichtert und mit neuer Kraft sank Arno wieder auf die Knie nieder und überließ sich endlich wieder mit vollkommener Konzentration Gottes Sohn.

Montag, 19. Dezember 1521
    Fast alles ist gut
     
    Weil nicht bald geschieht ein vrteil vber die bösen werck, da durch wird das hertz der Menschen vol böses zu thun.
    Altes Testament, Prediger 8, 11
     
     
    Es ging ganz gut, fand Mathilda. Seit mehr als acht Wochen war sie nun hier und hatte sich eingewöhnt. Der Klosteralltag mit seinen Gebets- und Arbeitsphasen stellte kein Problem mehr dar. Meistens zumindest. Genauer, seit sie gelernt hatte, den Tag in zwei verschiedene Bereiche einzuteilen. In den, der leicht oder sogar schön war für sie – und in den anderen.
    Zum ersten gehörten eindeutig die Gebete. Mathilda mochte die andächtige Stimmung im Frauenchor, mochte die Abfolge von Stehen, Niederknien, sich Verneigen, wieder Aufrichten, Beten und Singen. Vor allem die Wechselgesänge liebte sie, wenn sich die hohen Frauenstimmen mit den tiefen der Männer abwechselten und zuweilen vermischten. Inzwischen waren ihr alle Psalmen geläufig, die Liturgie bekannt, die Abläufe vertraut.
    Sie hatte erwartet sich zu langweilen, wenn sich die Faszination des Neuen in Gewohnheit verwandelt hätte. Doch zu ihrer Überraschung war genau das Gegenteil geschehen: Die Gleichmäßigkeit, in die sich die Gebetsstunden kleideten, gaben ihr Rückhalt und die Freiheit, tief in sich versunken in andere Sphären abzudriften. Sie hätte nach einem solchen Moment weder sagen können, wie lange er angedauert hatte, noch wo genau sie gewesen war. Alles, was sie hätte formulieren können, wäre Licht gewesen, Frieden und Freude.
    In hellwachen Momenten konnte sie den anderen Nonnen ansehen, dass es ihnen ähnlich erging. War es das, was als die Hinwendung zu Gott bezeichnet wurde? Diese Verzückung und das Hingerissensein?
     
    Katharina gegenüber hatte sie eines Morgens, als sie gemeinsam zum Abtritt gegangen waren, eine entsprechende Andeutung gemacht. Mit dem niederschmetternden Ergebnis, dass die daraufhin nur verständnislos die Schultern gehoben hatte. Nein, Katharina war nicht die richtige

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