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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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aus verständlich. Er hörte nicht hin, natürlich nicht. Nur Mathilda würde er belauschen. Weil er keine andere Wahl hatte.
    Bisher war sie, wie erwartet, nicht erschienen. Elisabeth und die übrigen Kandidatinnen waren durch – nach Ursula, die unter ihm gerade ihre Zweifel an ihrem eigenen Verhalten das neunte Gebot und ihren Wolfgang betreffend darlegte, war niemand mehr erschienen. Eigentlich könnte Arno schon jetzt ...
    Die Tür! Oh Gott, das muss sie sein! Wer sonst – Katharina auf keinen Fall und ...
    Sie war es! Auch wenn ihre Schritte in denen irgendeiner anderen, sie begleitenden Nonne nicht eindeutig identifizierbar waren – sein unwillkürlicher Blick vom Balkon ließ keinen Zweifel. Er hatte verloren.       
    Aber was will sie denn nur? Was zur Hölle will sie Palgmacher denn sagen?
    'Pater Arno hat sich in mich verliebt, was soll ich tun?'
    'Sorgt dafür, dass mein Lehrer mir nicht gefährlich wird!'
    Oh Allmächtiger, es wurde immer schlimmer!
    Bis auf sein Herz, das ihn regelrecht zu erschlagen schien, war alles in ihm zu Stein erstarrt, als er Ursula unter sich das letzte 'Amen' sprechen hörte – und dann Mathildas sich nähernde Schritte. Die verharrten. Arno wich hastig wieder hinter seine Tür zurück, das Aufkeuchen ob des plötzlichen Schmerzes an seinen Schultern, die er allen Ernstes vergessen hatte in all der Aufregung, mühsam unterdrückend. Er hatte viel zu weit vorn gestanden.
    „Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“, ertönte ihre Stimme so vertraut zu ihm herauf. Er sah sie vor sich, ihre Bekreuzigung, die Art und Weise, wie sie dabei niederkniete, sogar, wie ihre Hände unter dem Skapulier sich hoben, als sie vor ihrem „Amen“ tief einatmete.  
    Wie gern er mit ihr gesprochen hatte, ihr zugehört, wenn sie mit dem ihr eigenen Eifer ihre Argumente vorgebracht, sie beobachtet, wenn sie auf seine Erwiderungen reagiert hatte. Und nun stand er hier, wie ein verbrecherischer Spion sie niederträchtig bespitzelnd, in Erwartung seines Todesurteils.
    „Pater, ich habe gesündigt.“
    Arnos Herz zu Stein erstarrt ...
    „Ich habe mich verliebt.“
    ... welcher sich mit einem Schlag in wabernde Grütze zu verwandeln schien.
    „Es ist natürlich kein realer Mann“, setzte sie sofort nach, ehe sogar Palgmacher hätte antworten können. „Er ist aus einem Buch, aus einer Geschichte, aus dem Unterricht, ich meine, ich kenne ihn aus dem Unterricht.“
    WAS?
    „Du erträumst dir einen Mann?“, fragte Palgmacher prompt. „Dein Sebastian ist vorbei?“
    Sie liebt Sebastian noch. Und sie hat sich damit auch Palgmacher anvertraut. Durch sein Herz schien sich etwas Spitzes zu bohren.  
    „Er ist der wunderbarste Mann, den ich mir erträumen könnte. Im wahren Leben wäre er vollkommen unerreichbar, er ist schon älter, dreißig bestimmt, ein richtiger Mann.“
    Was hatte sie gesagt? Sie kenne ihn aus dem Unterricht? Musste das nicht heißen ... Sein gebeuteltes Herz stolperte, als alle Eifersucht von ihm abfiel.
    „Er ist groß und dunkel und unheimlich klug. Aber auch einfühlsam und geduldig. Er hat wunderschöne, warmherzige Augen. Aber vor allem anderen liebe ich seine Stimme! Und sein Lächeln, er hat das herrlichste Lächeln der Welt, so herzlich und zugleich zaghaft, fast schüchtern. Und seine Hände, wie sie über die Seite streichen, die er liest, so schlank und feingliedrig. Oder wenn seine Finger seine Schläfen entlanggleiten, um in sein Haar zu gelangen ...“
    Oh Himmel, das kann nicht sein, es kann doch nicht sein, dass sie ... Arno, die linke Hand an seinem Scheitel, atmete schon lange nicht mehr. Sie redete tatsächlich ... von ... ihm?  
    „Mädchen, du steigerst dich hinein in deine Leidenschaft! Mäßige dich und sag mir, welche Sünden du in deinen Träumen begangen hast.“
    Arno öffnete den Mund, um nach Luft zu schnappen - als ihm die Kinnlade hinunterklappte.
    „Ich möchte, dass er mich ansieht, mich anlächelt, mit mir spricht.“ Ihre Stimme viel leiser jetzt. „Ich möchte ganz nah bei ihm sein, ihn berühren.“ Fast ehrfürchtig. „Ich möchte meine Hände an seine Wangen legen und ...“
    Arnos Brust und Kehle zugedrückt wie vom Gewicht einer sich um ihn windenden Schlange.
    Mathilda flüsterte nur noch. „... und ich stelle mir vor, wie wir uns in die Augen sehen und unsere Lippen immer näher kommen und dann ...“
    Der Laut, der von dieser würgenden Schlange aus Arnos Brust herausgepresst wurde, ging unter in

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