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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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wollte.
    Was aber auch so stimmte. Er wollte nichts mit ihr zu tun haben. Nicht etwa, weil er sie nicht mochte. Sie war bei ihm nicht in Ungnade gefallen. Er wollte sie sich austreiben. Wobei ihm klar sein musste, dass er diesbezüglich mit ihrer Unterstützung nicht rechnen konnte. Eher mit dem Gegenteil.
    Das beschäftigte sie so sehr, dass sie kaum noch arbeitete. Was konnte sie tun? Sie würde mit ihm reden müssen, ihm zeigen, dass sie sich nicht austreiben lassen würde.
    Wie stellte er sich das überhaupt vor? Sollte sie ihre Gefühle für ihn einfach vergessen? Sollte sie den Unterricht vergessen?
    Sie wusste, dass er von sich aus nichts unternehmen würde. Wenn ihr also nichts einfiel, würde sie alles verlieren, was ihr in diesem Klosterleben wichtig war.
    Und da beißt sich die Katze in den Schwanz, dachte sie. Würde sie bekommen, was ihr wichtig war – würde sie Arno bekommen – wäre das Leben im Kloster unmöglich. Für sie und für ihn. Sie konnte hier nicht wie Eva und Wolfgang von Sandizell leben!
    Das Kloster zu verlassen, war für sie kein schlimmer Gedanke. Sie war schließlich keine Nonne – und hätte sie eine Wahl, würde sie auch niemals eine werden.
    Es war Arno, der die Wahl hatte, der sich zu entscheiden hatte. Zwischen seinem sicheren Leben als Priester, Lehrer und Beichtvater – und einem mit ihr, draußen, in Ungewissheit. Mit Grauen erkannte sie, dass sie ihm das nicht zumuten durfte. Nur ihr bedeutete das Leben hier nichts. Ihm jedoch alles. Sie würde ihm also alles nehmen, sollte er sich für sie entscheiden.
    Folglich musste sie weg von hier, so schnell wie möglich. Zurück zum Vater, nach Hause. Und dann weitersehen.
    Verzweifelt barg sie ihr Gesicht in den Händen. Ihr Vater hatte sich noch immer nicht gemeldet. Ob er ihren Brief überhaupt bekommen hatte? Und wenn ja, warum antwortete er dann nicht?
    Nur mit Mühe unterband sie das Schluchzen, das aus ihr herausbrechen wollte. Was konnte sie nur tun? Ohne seine Hilfe, aufs Geratewohl das Kloster zu verlassen – sie stöhnte auf. Wie sollte sie das anstellen? Mitten im Winter, ganz allein, Tagesreisen von Zuhause entfernt? Und nach den Klosterregeln wäre das Flucht, oder? Dafür konnte sie in den Kerker kommen.
    Ihr blieb also nichts als auszuharren. Sie rieb sich über die Augen, die mehr als alles andere weinen wollten, beugte sich über ihr Buch und versuchte sich zu konzentrieren.
    Doch schon nach kurzer Zeit hob sie wieder den Kopf. Es ging einfach nicht. So konnte sie nicht arbeiten. So konnte sie nicht leben. Nicht mit dieser Ungewissheit!
    Sie würde mit Arno reden müssen. Ihm darlegen, dass er ihr nicht ewig aus dem Weg gehen konnte. Er war es, der eine Entscheidung treffen konnte und musste.
    Und wenn er sich gegen sie entscheiden würde? Die Angst vor dieser Möglichkeit fiel mit der Klebrigkeit eines Spinnennetzes über sie. Nein! Sie riss ihren Kopf noch ein Stückchen höher, schüttelte ihn. Daran würde sie jetzt nicht denken. Lieber daran, dass es ja auch noch eine andere Wahl gab.
    Nachdenklich legte sie die Stirn in Falten. Arno mied sie. Das war Fakt. Dennoch, wenn sie einmal schaffte, mit ihm zusammen zu kommen und zu reden, hatte sie stets das Gefühl, dass auch er das so wollte. Sie musste also dafür sorgen ... Nur wie? Wie sollte sie ihn aus der Skriptoriumsöffentlichkeit da oben herausholen, wo er sich vor ihr verschanzt hatte?
    Einfach nur hinzugehen und zu sagen: „Pater Arno, ich hätte da ein Problem“ - er würde sie im Nu an Hartwig verwiesen haben. Das reichte also nicht. Sie benötigte einen wirklich starken Vorwand, dem er sich keinesfalls entziehen könnte. Nur welchen?
    Mathilda seufzte resigniert. Dafür würde sie ein Wunder brauchen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
    Wieder verbarg sie ihr Gesicht in den Händen, schaffte es aber nicht mehr, die Tränen zurückzuhalten. Hier gab es keine Wunder.
     
    Es dauerte eine Weile, bis sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Text richten konnte.
    'Deshalb ... soll jeder ... bei allem, was ihn zum Bösen reizen kann ... sorgsam und im Gebete ... wachsam sein, damit der Teufel nicht Raum gewinne ...'
    Der Teufel! Ihr Herz setzte einen Moment aus, um dann loszurasen. Das war es doch, was sie Arno schon lange hatte fragen wollen, aber immer wieder vergessen hatte: Gab es den Teufel wirklich?
    Wieder senkte sie den Kopf und übersetzte weiter: '... damit der Teufel nicht Raum gewinne, ihn zu hintergehen; denn dieser Feind ... schläft

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