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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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Ohren!
    „Heussgen, es reicht“, hielt Arno ihn viel zu spät auf.
    „Nur noch den Schluss, Arno, der ist einfach zu schön für unsere Zwecke!“
    Das diabolische Grinsen im Gesicht dieses Gelehrten verhieß Übles.
    Arno war schon an ihm vorbei, hörte nicht mehr zu – und dennoch krochen die Worte in seinen Kopf und hallten, hallten in ihm fort, ohne dass er sich ihnen hätte entziehen können. „'Gedanke ... Vorstellung ... Lust ... Begierde ... und jetzt sagt der Wille ja dazu!'“
    Arno lief, aus dem Raum, zur Treppe.
    „Vergiss deine Schülerin nicht!“
    Am liebsten hätte er sich umgedreht und diesem Mann ins Gesicht geschlagen. Aus den Augenwinkeln sah er, wie Mathilda ihm mit angstvoller Miene unentschlossen nach stolperte. Jähes Mitleid wallte in ihm auf. Sie konnte nichts dafür. Heussgen hatte sie gezwungen hierzubleiben und mit anzuhören, was ... was nicht für ihre Ohren bestimmt gewesen war. Reuevoll wandte Arno sich zu ihr um und ... verhinderte im letzten Moment, dass er ihr begütigend seine Hand entgegenstreckte. An ihren Augen konnte er nicht vorbei. Die Furcht darin machte ihn hilflos nach Luft schnappen.
    „Kommt, wir gehen hinunter.“
    Sie blinzelte verwirrt. Kein Wunder, sein unvermittelt sanfter Ton wirkte auch absolut fehl am Platz. Er hustete, wandte sich hastig um und rannte die Treppe hinunter.
    Nun kam sie. Zögernd, aber sie kam. Arno sah sich nicht um.
    Erst als ihre Schritte mitten in der Bibliothek verebbten, hatte er keine Wahl.
    Da stand sie und blickte ihm genau in die Augen – auch wenn sie den Kopf leicht zur Seite geneigt hatte, als ob sie damit den Abstand zwischen ihnen vergrößern könnte. Besser geschützt wäre. Vor ihm.
    Er musste schlucken. Müsste von hier weg. Oder etwas sagen. Ihr alles erklären. Nur wie?
    „Werdet Ihr mich jetzt ausmerzen?“ Sie war ihm zuvorgekommen.
    „Was?“ Er konnte nichts anderes sehen als ihre Lippen. Die sie daraufhin wie verschämt einsog. Unwillkürlich war er zurückgewichen. Wirbelte herum und lief weiter, blind, in den Klassenraum.
    „Pater ... Arno, ich ...“
    Aber er konnte doch nicht mit ihr in ein leeres Zimmer! Schon auf der Schwelle, bremste er abrupt und – musste sie auffangen, als sie mit Schwung gegen ihn prallte, als wäre sie im Laufschritt hinter ihm her gewesen. War es das Ziepen seiner neuen Narbe an der Schulter, das ihn in der entscheidenden Sekunde ablenkte? Jedenfalls war es im nächsten Moment zu spät. Ohne dass er etwas dagegen hätte tun können, hatten sich seine Arme um Mathilda geschlungen, schoben sich weiter, um ihren schmalen Rücken herum. Er musste weg, sie wieder loslassen, er musste ...
    „Ich muss ...“
    Er konnte sich nicht rühren.
    „... mich ausmerzen?“
    „Das kann ich nicht.“
    Das war seine Stimme gewesen. Er hatte doch nicht ... er konnte ...
    „Nicht aufhören, schick mich nicht weg, Arno, bitte lass mich nicht wieder allein!“
    Das konnte er gar nicht. Sie lassen. An ihn gepresst hatte sie sich, sie hielt ihn fest, umklammerte ihn regelrecht. Und er ... konnte nichts tun. Er wollte ... er wollte das, er wollte hier so mit ihr sein, in ihren Armen. Er stand hier, ihre Hände sanft und warm auf seinem Rücken, sie war so sanft, so warm, wie sie sich an ihn schmiegte, so duftend und nah und ... wunderschön, sie war so wunderschön, er musste sie atmen und herzen und sein Gesicht an ihre Wange schmiegen, seine Lippen, seine Nase unter ihre Haube schieben und ...
    Schritte. Auf der Treppe. Sie standen hier mitten in der Bibliothek, oh Gott, es konnte jederzeit jemand ... es kam jemand, und dennoch dauerte es ewig lange, bis sein Mund sich von ihrer Haut gelöst hatte, sein Bauch von ihrem, seine Hände, von ihrer Taille, seine Füße ...
    Er stolperte zurück.
    „Arno ...“
    Es ging nicht.
    „Mathilda, ich ... du musst nach drüben. Geh!“
    Damit stürzte er an ihr vorbei, die Treppe hinunter, hinaus. Nur hinaus, weg, irgendwohin, so weit weg wie möglich.
     
    Seine Füße hämmerten auf den Boden. Sein Atem ebenso schnell. Weg. Weit weg. Am Konvent vorbei, den Ländereien entgegen. Er musste allein sein. Allein, allein, allein.
    Ich bereue es, ich bereue es, ich bereue es! Ich kann beichten, ich kann es beichten, und dann wird mir vergeben, es kann alles gut werden, gut, alles gut!
    Die Angst in ihrem Gesicht, ihre furchtsame Stimme: 'Werdet Ihr mich auch ausmerzen?'
    Dann ihr Körper. So nah, so warm und weich, so sanft – und diese mächtige Kraft in ihren

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