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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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schlang beide Arme um seinen Körper und zwang sich zu denken, was jetzt notwendig war.
    Was soll ich tun?
    Ein trockenes Auflachen drang aus seiner Kehle, um sofort vom Wind geschluckt zu werden. Das war einfach zu beantworten: Er sollte Beichtvater spielen. Ein Sakrament erteilen. Wie er es immer tat. Nein: wie er es immer getan hatte. Denn eben dies konnte er nicht mehr. Es war ihm möglich, nach außen die verlangten Dinge zu tun. Aber Seelsorger zu sein – das konnte man nicht vortäuschen. Das ging nicht – ohne Seele.
    Was also sollte er tun?
    Davonlaufen? Endgültig weg? Nach Norden? Nach – Hause?
    Seine Hand hatte sich zur Hausecke ausgestreckt, krallte sich in den Stein. Das hatte er noch niemals gedacht. Nie. Er brauchte Hilfe. Diesmal schaffte er es nicht allein.
     
    Den Weg zu Heussgens Kammer fanden seine Beine ganz von selbst.
    „Johannes?“ Ein Flüstern mitten hinein in sein zaghaftes Klopfen.
    „Arno“, hörte er, ehe er realisierte, dass sein Freund ihm bereits geöffnet hatte und ihn bestürzt ansah.
    „Ich muss mit dir reden“, presste er hervor – und benötigte Heussgens Hand, die ihn endlich ins Zimmer zog.
    „Du willst bei mir beichten und nicht bei Palgmacher“, sagte der ohne Umschweife, indem er Arno einen Stuhl zuwies.
    Der stand. Perplex.
    Heussgen überging das. „Das verstehe ich, Arno. Und natürlich will ich dir helfen. Nur – würde ich dich ungern vor mir knien sehen. Noch weniger hier, ohne den Rahmen des Beichtstuhls. Verstehst du das? Ich will nicht, dass du dich vor mir erniedrigst, wenn es dir so schlecht geht.“
    Arno noch immer unfähig, sich zu rühren.
    Erst jetzt suchte Heussgen seinen Blick. Erklärte: „Ich habe deine Mathilda gestern gesehen. Nachdem ihr zusammen hinunter seid. Wie sie völlig aufgelöst viel zu früh aus der Bibliothek rannte. Du warst auch unauffindbar. Als du abends wieder auftauchtest, schienst du am Boden zerstört. Und da du nun hier vor mir stehst ...“ Er musste das nicht aussprechen.
    Arno nickte heftig. Dankbar. Die Erleichterung, sich nicht mehr verstellen zu müssen, ließ seine Knie weich werden. Heussgen schob den Stuhl in seine Richtung, Arno fasste nach der Lehne.
    „Ich will alles tun, um dir zu helfen“, klang wunderbar. „Aber als dein Freund, nicht als Priester. In Ordnung?“
    Arno nickte. Seltsamerweise hatte er sich auch nicht danach gesehnt zu beichten. So wenig er den Beichtvater in sich wiederzufinden vermochte – ein reuiger Sünder war er noch weniger.
    „Palgmacher ist krank“, quetschte er an dem Kloß in seinem Hals vorbei. „Ich muss die Beichte abnehmen. Aber das kann ich nicht. Ich habe gesündigt, und ich kann nicht einmal ehrlich bereuen, geschweige denn, die Absolution erbitten. Ich kann nicht einmal mehr beten!“
    Es tat so gut, das auszusprechen. Dass er das, was ihn quälte, diesem Mann ins Gesicht sagen konnte, der ihn mit warmherzigen, verständnisvollen Augen ansah. Ohne ihn zu verurteilen, zu richten, zu verachten.
    „Du hast recht, das ist ausgeschlossen.“ Heussgen schüttelte resolut den Kopf. „In diesem Zustand kannst du nicht Beichtvater sein.“
    Er drückte Arno auf den ihm zugedachten Stuhl. Wartete einen Moment, ehe er ihn losließ, als wollte er erst sichergehen, dass dieser auch gehorsam sitzen bliebe.
    „Ich werde in der Kirche eine Nachricht aufhängen, dass die Beichte heute ausfällt.“
    „Wenn die Örtlerin das erfährt ...“
    „Wenn die armen Nonnen dich so erleben, dann wird sie es noch viel eindrucksvoller erfahren“, grinste Heussgen.
    Das stimmte. Arno rappelte sich auf. „Aber du darfst die Kirche nicht betreten, und jetzt würdest du gesehen werden. Du weißt, die Örtlerin hofft nur auf einen Anlass, dich endlich anzeigen zu können.“ Er war wieder auf den Beinen. „Ich werde es selber machen. Und“, schon wieder an der Tür, blickte er Heussgen noch einmal an, „es geht mir bereits besser. Ich danke dir, dass du mich aufnimmst – in diesem Zustand.“
    Sein Freund nickte und lächelte. „Ich erwarte dich gleich zurück. – Halt!“ Kramte dann in einer Schublade, fischte ein Stück Papier hervor. „Was soll ich schreiben?“
    Eine Minute später war Arno im Laufschritt auf dem Weg zur Kirche.
     
    Gerade hatte er die 'Frauentür' aufgerissen, um an deren Innenseite seine Nachricht zu befestigen – da hörte er Schritte von oben. Oh nein! Er nestelte den Zettel über den dort steckenden Nagel. Schnell genug war er nicht. Die Ankommende

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