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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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würde ihn ertappen.
    „Erschreckt nicht“, blieb ihm nichts anderes übrig, als sie zu warnen.
    „Was?“ Elisabeth Jordan. Auf der Treppe über ihm gestoppt.
    Widerstrebend wandte Arno ihr sein Gesicht zu. „Leider bin ich heute verhindert“, wies er auf Heussgens Zeilen. „Nächsten Freitag wieder.“
    Dieses Aufstöhnen! Diese bittend geweiteten Augen!
    „Aber ich ... ich brauche es heute. Ich habe etwas Schreckliches getan. Ich bitte Euch, Pater. Es geht ja ganz schnell. Ich schaffe es nicht allein. Bitte!“
    Was sollte er tun? Ich selbst bin zu sündig, um dir zu helfen, es tut mir leid. Das konnte er ihr doch nicht sagen.  
    „Es hilft mir immer so sehr, mit Euch zu sprechen. Und es ist ein Wink des Schicksals, dass heute Ihr es seid und nicht ... Ich bitte Euch auf Knien, tut mir den Gefallen. Schenkt mir ein paar Augenblicke.“
    Sie war niedergekniet, auf der engen Stufe, kauerte nun schief über ihm auf der Treppe – in einer Haltung, als läge sie ihm zu Füßen.
    Arno wand sich. „Steht auf, ich will das nicht, ich ...“
    Sie schluchzte. Es ging nicht anders. Er musste es tun, anders würde er sie nicht loswerden. Sie betrachtete ihn als ihren Beichtvater, er war es all die Zeit gewesen. Auch wenn ihm heute unmöglich war, diese Rolle einzunehmen – sie würde es wahrscheinlich gar nicht bemerken. Er würde mit ihr sprechen – ohne die Liturgie, ohne den formalen Beichtplatz, ohne Gitter. Gleich hier.
    „Kommt hier auf die Bank“, rief er sie.
    Verwirrt blinzelnd, griff sie zunächst nur nach dem Handlauf, ohne sich von den Knien zu erheben.
    „Ich kann Euch nicht die Beichte abnehmen, weil ich selbst gesündigt habe“, erklärte er, aus einem spontanen Impuls heraus. Doch er spürte, dass diese Offenheit richtig war.
    „Ihr?“
    „Ja, ich. Ich kann Euch weder eine Buße auferlegen noch die Absolution erteilen. Aber ich bin bereit, als – Privatmann mit Euch zu sprechen. Wenn Ihr das wollt.“
    „Gut.“
    Das so unvermittelt entschlossen, dass Arno zusammenzuckte.
    Er verzog das Gesicht. Normalerweise hätte er sich jetzt diebisch gefreut und sich vorgenommen, eine Diskussion mit Heussgen zu führen über die Funktion der Beichte – und darüber, dass sogar die schwächsten Sünder zu ungeahnter Stärke fähig waren.
    Elisabeth blickte sich unsicher um. „Hier könnte jemand kommen.“
    Das war allerdings ein Argument.
    „Wir gehen in den Versorgungsgang“, entschied er rasch.
    Natürlich zögerte sie.
    „Oder zieht Ihr den Männerchor vor?“ Seine Augenbraue erweckte beinahe den Eindruck, als funktioniere er wieder ganz normal.
    Elisabeth beeilte sich, ihm zu folgen.
    Er sperrte auf und winkte sie nach rechts, vorbei am Beichtstuhl, den sie mit großen Augen musterte, nach vorne, wo einige ausrangierte Holzbänke neben anderem Gerümpel aufgestapelt waren. Er zerrte die oberste herunter, schob sie in eine Nische an der Außenwand und setzte sich. Erst jetzt gewahrte er die Kälte, die sich – bis auf die Sturmböen – nicht wirklich von der draußen unterschied.
    Ja, auch Elisabeth zitterte. Straffte sich jedoch und zwängte sich ganz ans andere Ende der Bank. Senkte die Augen auf ihre Knie, als könnte sie diese so darüber hinwegtrösten, dass sie nicht zum Einsatz kamen. Ihre Stimme war fest, als sie endlich begann: „Ich habe etwas Schreckliches getan.“
    Das hatte sie vorhin schon einmal gesagt. Arno seufzte verstohlen – was in dieser Konstellation sehr viel schwieriger war als hinter dem schützenden Gitter.
    „Ich war in strenger Klausur, habe Schwester Glaubrechtin auf ihrem Weg in den Tod begleitet. Und das hat es einfacher gemacht, meine Gefühle für Katharina unter Kontrolle zu behalten. Weil ich sie nicht sehen musste. Mich nicht permanent zwingen, sie nicht zu sehen. Mich nicht plötzlich irgendwo wiederfinden, wo sie sein könnte.“
    Arno hatte aufgehört zu atmen. Das war verrückt – diese Frau zu hören mit Äußerungen, die sich direkt in seinen eigenen Mund zu quetschen schienen, seine Kehle zu verstopfen, ihn am Schlucken zu hindern.
    Zum Glück sah Elisabeth ihn nach wie vor nicht an. Im Gegenteil, jetzt schluchzte sie. Eisern beherrscht, nur ganz erstickt. „Ich habe so sehr gehofft, dass diese Sucht nach ihr einfach abebben würde, sich auflösen, verschwinden. Aber – sie blieb. Schlimmer noch – sie wuchs. Bis ich irgendwann unentwegt an Katharina denken musste. Nicht mehr beten konnte, nicht mehr essen, nicht mehr schlafen, ohne

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