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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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zu opfern“, reihte er mechanisch Worte aneinander, die eigentlich logisch sein müssten. Ich bin nicht bereit, ich bin es nicht!  
    „Ich denke ...“ Heussgen. Er machte eine Pause, sprach langsam und behutsam, und damit betonte er sein Ich, um es auf geheimnisvolle Weise gleichzeitig zurückzunehmen. „Ich denke, du musst erkennen, was Gott von dir verlangt, Arno. Und unter welchen Voraussetzungen er es verlangt.“
    „Du meinst ...“, Arno brach ab und sah seinem Freund, dem er alle Klugheit der Welt zutraute, ins Gesicht.
    „Du sagtest vorhin, Gott erwarte von dir, alles zu geben. Das gehört meines Erachtens zu den Anforderungen, die du als Priester zu erfüllen hast. Ein Priester soll Gott über alles stellen, keine irdischen Bindungen eingehen, ihm all seine irdischen Bedürfnisse opfern.“
    Was sollte das heißen? „Ich bin Priester“, schrie Arno es heraus. „Ich habe mich genau dazu entschieden. Gott über alles zu stellen!“ Er sank in sich zusammen.
    Raffte sich wieder auf. „Ich habe mich gegen das Leben mit einer Frau entschieden, um meiner Bestimmung zu folgen. Endgültig.“ Und habe dafür sogar die Schuld am Tod Rosas in Kauf genommen.  
    „Diese Entscheidung galt zu der Zeit, da du sie getroffen hast“, sagte Heussgen leise. „Und sicher, du hast geglaubt, sie wäre für immer.“
    „Ich habe die ewige Profess abgelegt.“ Daran gab es nichts zu deuteln. „Das ist eine Entscheidung für immer.“ Er fixierte mit aller Kraft den Beichtstuhl in seiner Nische, als könnte er dieses Immer auf diese Weise festhalten.
    „Daran hast du geglaubt“, wiederholte Heussgen ruhig. „Damals.“ Er seufzte tief. „Wenn wir mit einem Zustand sehr glücklich sind, neigen wir Menschen zu dem Versprechen, dass es ewig so bleiben werde. Weil wir uns das wünschen.“
    Arno fuhr alarmiert zu ihm herum. „Was willst du damit sagen?“
    „Dass das 'Für immer und ewig' ein menschliches Bedürfnis ist.“ Heussgen lächelte, aber es war ein sehr trauriges Lächeln. „Nichtsdestotrotz ist eben dieses 'Immer' außerhalb der menschlichen Natur.“
    „Gott ist ewig!“ Arno war aufgesprungen. „Gott ist alles und immer. Genau darum geht es doch. Uns dem Göttlichen anzunähern. Seine Göttlichkeit anzustreben. Das ist es doch, was ich gelobt habe. Mich, meine Person, mein Leben in Seinen Dienst zu stellen, mich selbst aufzugeben, um Ihm so nah wie möglich zu kommen.“
    „Das war dein Wunsch“, stimmte Heussgen ihm ruhig zu. „Der Wunsch des Mannes, der du damals warst.“
    „Ich bin derselbe Mann“, begehrte Arno auf.
    „Nein, Arno. Genau der bist du nicht mehr.“ Heussgen hatte den Kopf schief gelegt und musterte ihn von unten. Nachdenklich. In seiner ihm eigenen Mischung aus Wissen und Unaufdringlichkeit. „Heute bist du ein Anderer – weil du dich verändert hast.“
    Arno schwankte. Ließ sich wieder auf die Bank fallen, ehe seine Beine einknicken konnten.
    „Menschen ändern sich, Arno“, fuhr Heussgen fort. „Das ist so. So hat Gott uns geschaffen.“ Seine Stimme ganz tief und gleichmäßig, als spräche er tröstend auf ein verzweifeltes kleines Kind ein.
    Aus dem Augenwinkel nahm Arno wahr, wie ein kleines Lächeln über das Gesicht des Anderen flog. Sofort wieder verschwand – und doch in seinem eigenen Gesicht den Platz symbolisierte, den Arnos Lächeln für Mathilda hätte einnehmen können.
    „Allem Anschein nach hast du dich verändert, dich entwickelt. Deine damalige Entscheidung hat ihre Gültigkeit verloren. Du musst sie noch einmal treffen.“

Wer da lauschet hinter der Wand ...
     
     
    Er will mich. Er. Will. Mich. Er will mich!
    Seit gestern hämmerte sich Mathilda diese Worte fast unablässig ein. Als müsste sie sich erst noch davon überzeugen. Dabei glaubte sie das spätestens seit der Umarmung gestern uneingeschränkt, vibrierte ja geradezu vor Freude deswegen. Meist zumindest.
    Es gab nämlich auch Vorbehalte, die sie fast zum Straucheln brachten, wenn sie sie packten. Denn war das, was für sie die Wahrheit war, auch Arnos Wahrheit?
    Arno liebte sie ebenfalls. Aber was bedeutete das für ihn?
    Bedeutete es ihm überhaupt etwas?
    Für sie hatte diese Tatsache eine sehr weitgreifende Konsequenz. Auf keinen Fall würde sie jetzt noch das Kloster verlassen – ohne ihn.
    Lieber wie die Sandizells , dachte sie. Lieber gemeinsam hier im Kloster leben, lieber ihn ab und zu sehen – und einander vielleicht berühren können, heimlich, verstohlen, als weit von

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