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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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ihm entfernt ein Leben jenseits aller Klosterzwänge.  
    Selbst wenn ihr Vater sie jetzt holen käme ... Ob sie Pater Heussgen schon wieder fragen könnte, ob er sich endlich gemeldet hatte? Mathilda schüttelte den Kopf, während sie den Korridor entlangeilte. Er antwortete doch sowieso jedes Mal unaufgefordert und stumm mit einem ernsten Kopfschütteln, wenn sie ihn sah.
    Das musste nichts Schlimmes bedeuten. Noch nicht. Bis ihr Brief Vater erreicht haben würde und seine Antwort sie, konnten schließlich Monate vergehen.
    Aber jetzt erst einmal – ihre Füße flogen nur so über die Steinfliesen des Kirchenbalkons - würde sie Arno sehen und sprechen können. Heute war Freitag, kein Unterricht am Nachmittag, das war schlecht. Glücklicherweise jedoch war Pater Palgmacher erkrankt – und Arno würde im Beichtstuhl sitzen. In Mathilda jubelte es. Sie würde warten, bis sie als Letzte ... und dann ohne Lauscher in der Kirche ... Bedeutung hin oder her, sie würde bei ihm sein, nur durch das Beichtgitter von ihm getrennt!
     
    Der helle Fleck am Fuß der eng gewundenen Treppe hinab ins Kirchenschiff fiel ihr sofort ins Auge, weil er nicht hierher gehörte. Erst beim Näherkommen erkannte sie, dass es ein mit großen Lettern beschriebenes Papier war, das auf einen rostigen Nagel gespießt an der Holztüre hing.
    In Mathilda schrillte eine Alarmglocke. Hastig und zunehmend nervöser trat sie direkt vor das Blatt. Noch ohne gelesen zu haben, bemerkte sie, dass sie die Schrift nicht kannte. Groß und schnörkelig, von sichtlich geübter Hand zwar, aber eben nicht vertraut. Schnell las sie:
    'Die heutige Beichte muss wegen Erkrankung entfallen.'
    Krank? Ja sicher, Vater Palgmacher – aber doch nicht Arno!
    Einen Moment lang zog Mathilda einen Irrtum in Erwägung oder einen groben Scherz, ehe ihr die Wahrheit dämmerte: Es würde wirklich keine Beichte geben – und der Grund war ganz genau sie! Arno bereute, was gestern geschehen war. Allein ihr galt diese Absage, ihr wollte er keinesfalls begegnen. Dass er allerdings in Kauf nahm, alle Beichtwilligen damit zu treffen, war völlig untypisch für ihn, machte die Sache aber umso alarmierender. Niemals würde Arno seine Pflichten leichtfertig vernachlässigen. Es musste ihm also wirklich sehr schlecht gehen, ihretwegen. Er war krank. Wenn auch nicht körperlich.
    Ohne zu überlegen, griff Mathilda nach dem Zettel, rupfte ihn vom Nagel, knüllte ihn fest zusammen und steckte ihn in die Tasche ihrer Kutte. Fast gleichzeitig riss sie die Türe auf und stürmte durch die Kirche. Jetzt musste sie wirklich mit ihm reden. Ganz dringend sogar!
    Erst der Anblick des verwaisten Beichtplatzes brachte sie wieder zur Besinnung. Was hatte sie denn gedacht? Dass er trotzdem dort sitzen und auf sie warten würde?  
    Hätte er die Nachricht selbst geschrieben, wäre das tatsächlich im Bereich des Möglichen gewesen. Aber sie war von einer anderen Person verfasst – und wahrscheinlich auch an der Treppe aufgehängt worden. Arno war gar nicht selbst hier gewesen. Und jetzt, gegen Ende der Beichtzeit ...
    Einen Moment kam Mathilda der bisherige Vormittag in den Sinn: Warum hatte ihr eigentlich niemand etwas davon gesagt?
    Während sie in der völlig leeren Kirche umher sah, überlegte sie, wer heute wohl alles zur Beichte gegangen sein mochte. Einmal im Monat – lautete die offizielle Empfehlung. Wer mochte, konnte jede Woche gehen, aber die wöchentlichen Termine waren dafür gedacht, dass sich die Zahl der Beichtwilligen reduzierte.
    Es war also durchaus nicht ungewöhnlich, dass jetzt, so kurz nach Weihnachten, wenige der Nonnen zur Beichte wollten. Elisabeth ging mit schöner Regelmäßigkeit wöchentlich. Wie sie, Mathilda, ja auch. Das aber eher, weil sie immer hoffte, auf Arno zu treffen, mit ihm reden zu können. Bei Vater Palgmacher beichtete sie nicht gerne. Der war irgendwie – zu neugierig. Stets musste sie da vorher überlegen, was sie wie sagen konnte – oder was sie besser ungesagt ließ.
    Ihre Augen schweiften nach oben, zum Balkon über dem Beichtstuhl. Die kleine Türe hinter dem Geländer war fest verschlossen. Auch hier war niemand. Unruhig wandte sie den Kopf. Was jetzt? Was sollte, nein, was konnte sie nun tun?
    Sie entspannte ihre angestrengt gerunzelte Stirn und wandte ihr Gesicht in Richtung Männerkonvent. Dort drüben – völlig unerreichbar für sie – war er jetzt.
    Sollte sie wieder gehen? Aber sie musste doch zu ihm, mit ihm reden, ihm sagen, dass sie

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