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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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ihrem Rücken die Sicht auf den leeren Beichtstuhl zu verbergen. Dann faltete sie die Hände, richtete ihren Blick nach vorn und konzentrierte sich.
    „Deine Schüler“, hörte sie Heussgen freundlich sagen. „Von denen forderst du solche Entwicklungen sogar. Du denkst frei und eigenständig und erwartest das auch von den Menschen, mit denen du zusammen bist. Du zwingst sie also dazu und womöglich auch, bereits getroffene Entscheidungen noch einmal zu überdenken. Warum solltest gerade du davon ausgenommen sein?“
    Arno schwieg und Mathilda richtete ihre Sinne noch einmal nach hinten. Ja, dort war jemand. Kleidung raschelte, Füße scharrten, sie hörte ein paar Atemzüge, dann sich entfernende Schritte, die aber schnell verklangen. Dafür quietschte eine Bank.
    Es war also noch jemand zur Beichte gekommen – die heute gar nicht stattfand. Gut, dass Mathilda die Nachricht an sich genommen hatte. Sie konnte also nachher so tun, als ob Arno eilig weg gemusst hätte.
    Vorausgesetzt, du wirst zuvor nicht entdeckt.
    Himmel! In was für eine Situation hatte sie sich wieder gebracht? Hinter sich jemand, der sie beobachten konnte – und vor sich Heussgen und Arno, die sie belauschte.
    „Sie sind in der Ausbildung, da gehört es dazu, sich neu zu überdenken.“
    „So gesehen sind wir ein Leben lang in der Ausbildung“, widersprach Pater Heussgen.
    Mathilda konnte ihn lächeln sehen, den Kopf heben – und seine Augen direkt auf sie richten.
    Er sieht mich! Sie wurde steif und starrte Heussgen schreckerfüllt an. Was jetzt?  
    Doch da nickte er ihr bereits zu, lächelte leicht und wandte das Gesicht wieder zu Arno: „Es ist nur menschlich, immer wieder einmal an einen Wendepunkt zu kommen. Das muss doch keine Katastrophe sein.“
    Er streckte seine Hand nach Arno aus.
    „Sieh es als Möglichkeit! Noch einmal ganz am Anfang zu stehen, deinem Leben eine neue Richtung geben zu können, etwas ganz anderes zu tun, ein anderer zu sein.“
    Mathilda hielt die Luft an. Wie würde Arno reagieren? Würde er sich berühren lassen? Von Heussgen – und seinen Worten?
    Aber nein! Er sprang auf, machte einen Schritt auf Heussgen zu – Mathilda blieb fast das Herz stehen, als sie ihn so plötzlich sah – da drängte er sich bereits an Heussgen vorbei und blieb stehen, mit dem Gesicht zur Wand.
    „Das stellt mein ganzes Leben infrage. Ich bin dreiunddreißig Jahre alt – und stehe vor dem Nichts, wenn ...“
    Er wandte sich um, sah direkt zu Heussgen: „Ich sehe hier keine Entwicklung. Alles was ich sehe, ist Wankelmut, Unzuverlässigkeit, Schuld! Und darunter liegt nun mein Leben begraben.“ Er schnaubte. „Das nennst du einen Neuanfang?“
    „Es ist einer – und du wärst dabei nicht einmal alleine, im Gegensatz zu mir“, erwiderte Heussgen leise und ließ seine Augen nachdenklich zu Mathilda wandern, die im ersten Moment unwillkürlich im Knien zurückgewichen war. „Aber ich sehe auch, dass es einen Unterschied ausmacht, wenn man eine Wahl hat.“
    Hingerissen beobachtete Mathilda die beiden Männer vor sich. Heussgen sprach - für sie! Und gegen Arnos Bedenken! Heussgen war ihr Verbündeter.
    „Du brauchst keine Angst zu haben, brauchst dich nicht hilflos zu fühlen.“
    Diese Worte Heussgens galten nicht nur Arno, sondern genauso ihr. Atemlos lauschte sie weiter.
    „Weil du die Kontrolle hast. Du hast die Freiheit zu denken, Entscheidungen zu treffen, Neues zu tun. Du wirst nur das tun, wofür du dich aus freien Stücken entscheidest. Es ist dein Leben.“
    Heussgen war nun ebenfalls aufgestanden, fasste Arno am Arm: „Aber lass uns nun in meine Kammer gehen. Hier zieht es so abscheulich, dass ich um meine Gesundheit fürchte. Du wirst mir zustimmen, dass der Zeitpunkt, sich in die Krankenstation zu legen, für mich ausgesprochen ungünstig ist.“
    Arno nickte mit unbewegtem Gesicht und ließ sich von Heussgen davonziehen.
    Einige Momente lang lauschte Mathilda den sich entfernenden Stimmen nach, dann besann sie sich. Sie musste jetzt noch eine kleine Vorstellung geben, für den Fall, dass sie von hinten gerade beobachtet wurde. Deswegen nickte sie, bekreuzigte sich. „Diese und alle meine Sünden tun mir von Herzen leid, mein Jesu Barmherzigkeit.“
    Sie nickte, während sie sich Arnos absolutionserteilende Hand vorstellte.
    „Amen.“
    Danket dem Herrn, denn er ist gütig.
    „Sein Erbarmen währet ewiglich.“
    Der Herr hat dir die Sünden vergeben. Geh hin in Frieden.
    Einen Moment blieb sie noch

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