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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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war Mathilda.  
    „Du willst, dass ich deine Frau bin?“, spürte er ihre Lippen an seinen, und seine antworteten von allein:
    „Ich will es, ich will dich, ja ... Mathilda, Mathilda, ja ...“

Danach
     
     
    Irgendwann hatte er sie doch losgelassen. Beide hatten sie zuerst ihr Gleichgewicht wiederfinden müssen, bis sie in der Lage gewesen waren, allein zu stehen.
    „Du gehst jetzt vor, in den Klassenraum“, hatte Arno entschieden, während seine sanften Hände ihr die hinuntergefallene Haube wieder aufgesetzt hatten, liebevoll jedes einzelne Haar darunter verstauend. „Dein Termin bei der Örtlerin wird dafür sorgen, dass deine Verspätung keine Konsequenzen haben wird. Ich werde eine Weile hier abwarten und dann zunächst ins Skriptorium gehen.“
    „Aber bevor der Unterricht zu Ende ist, wirst du kommen?“, hatte Mathilda sich nicht verkneifen können.
    „Wir müssen sehr, sehr vorsichtig sein“, hatte er geantwortet. „Wenn jemand Verdacht schöpft ...“
    „Wir werden uns nur ansehen“, hatte sie ihm versprochen.
    Und er hatte ernst genickt.
     
    Nun waberten ihre Beine wie Grütze, den Weg am Friedhof entlang, und ihr Herz fühlte sich an, als wäre es nach all dem Rasen und Hopsen zu erschöpft, um einen regelmäßigen Rhythmus zuwege zu bringen.
    Dabei war doch alles gut! Gut? Sie hätte am liebsten laut herausgeschrien, wie wunderbar es war, wie wahnsinnig wunderschön, das pure verrückte Glück! Arno liebte sie, er hatte sich allen Ernstes für sie entschieden, wollte sie zur Frau nehmen – und gemeinsam würden sie dieses Kloster für immer hinter sich lassen.
    Aber was sollten diese Tränen, die nun in Strömen ihre Wangen hinunter liefen?
    Es ist nur so ... so ganz und gar unwahrscheinlich gewesen, dass es so gekommen ist wie jetzt, versuchte sie, ihre Gedanken zu ordnen. Eigentlich müsste ich jetzt dort oben an der Balkonbrüstung stehen und ...  
    Das war es. Sie war die ganze letzte Zeit dort oben gestanden, nur einen einzigen Schritt von der Hoffnungslosigkeit entfernt, vom Tod. Und die ganze Zeit hatte sie so getan, als ob sie gelebt hätte und funktioniert und gesungen und sich so angestrengt, nicht zu fühlen, wie sehr sie gelitten hatte. Diese Tränen hier hatten während all dieser Zeit in ihren Augen gelauert. Mathilda hatte sie bezwungen. Aber jetzt, da sie so unbeschreiblich glücklich war, schien diese Kraft aufgebraucht. Jetzt quoll das ganze Wasser aus ihr heraus – aber jetzt war das nicht mehr schlimm, denn von nun an würde sie unerschöpfliche neue Kraft bekommen. Die Kraft der Liebe. Sie lächelte und nahm einen Zipfel ihrer Haube, um sich das Gesicht zu trocknen. Liebe, die sie konnte. Irdische Liebe. Pater Arno von Wayden mit seinem Hang zur Göttlichkeit hatte sich allen Ernstes für Mathildas Liebe entschieden.  
     
     
    'Wir werden uns nur ansehen!', hatte sie ihm versichert. Es wollte ihm kein Lächeln glücken, obwohl er voll davon war. Viel zu voll, um rational zu denken, um in seiner Pater-Rolle zu funktionieren, um unauffällig das zu tun, was er tun musste, um Mathilda und ihre gemeinsame Flucht nicht zu gefährden. War das der Grund dafür, dass es ihm nicht gelang, das hinunterzuschlucken, was da in seiner Kehle hockte, was den Hals eng machte und sein Herz beklommen außer Takt schlagen ließ?
    Er war verrückt. Er hatte sich auf etwas absolut Verrücktes eingelassen. Eine Wahl hatte er nicht gehabt, er musste für Mathilda sorgen und ihr ein Leben außerhalb des Klosters ermöglichen. Von daher war es verrückt, aber trotzdem vernünftig.
    Dass er jetzt seine Hand nach der Klinke ausstreckte, die die Tür in einen Raum öffnen würde, in dem er mit ihr allein wäre – das war nicht vernünftig. Er tat es trotzdem. Spürte ihre Anwesenheit ihm entgegenschlagen wie eine warme Welle, sah sie aber nicht an, während er hastig die Tür hinter sich schloss. Er hätte sie auflassen müssen.
    'Wir werden uns nur ansehen.'
    Er schluckte – und sah sie an.
     
     
    Mathilda hatte, im Unterrichtsraum angekommen, nichts anderes getan, als aufgeregt herumzulaufen. Von der Tür zum Fenster, an dem es unangenehm zog, und wieder zurück zur Türe. Dabei waren ihr die ganze Zeit Tränen übers Gesicht gelaufen, die sie wieder und wieder mit der Hand, mit dem Ärmel ihrer Kutte oder ihrer Haube weggewischt hatte. Mit jeder Faser ihres Körpers hatte sie sich zurückgesehnt, in seine Arme. Schließlich hatte sie seine Schritte nahen hören – und sich über die

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