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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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ausgebrochen, dass Palgmacher bereits daran erkrankt sei. Sehr schnell jedoch – und noch lange vor der Rückkehr Mutter Örtlerins – war jemand auf die richtige Idee gekommen: Heussgen war geflohen.
    „Du bist gebenedeit unter den Weibern,
    und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes, Jesus.“
    Sie waren noch, beunruhigt miteinander tuschelnd, im Frauenchor gewesen, als Mutter Örtlerin zurückgekehrt war und mit strenger Miene sofortiges Silentium und Versammlungsverbot verfügt hatte. Bald darauf hatte sie sämtliche Nonnen in den Kapitelsaal befohlen, wo sie seitdem knieten und beteten.
    „Heilige Maria, Mutter Gottes,
    bitte für uns Sünder, jetzt und in der Stunde unseres Todes.“
    Wer war alles geflohen? Mutter Örtlerin hatte nach ihrer Rückkehr völlig geschlagen gewirkt. Das bedeutete mit hoher Wahrscheinlichkeit, dass nicht nur Heussgen fehlte.
    „Vater unser, der du bist im Himmel.“
    Warum war sie selbst so durcheinander? Arno war doch da. Er war drüben im Männerkonvent – vom Lauf der Dinge wahrscheinlich genauso überrascht wie sie – und schmiedete neue Pläne. Die er sie wissen lassen würde, sobald sich eine Gelegenheit dazu bot.
    „Geheiligt werde dein Name,
    dein Reich komme, dein Wille geschehe ...“
    Allerdings konnte es jetzt dauern, bis sich wieder eine Gelegenheit zur Flucht ergab. Mutter Örtlerin hatte den Konvent verriegelt. Kein Ausgang – ohne jede Ausnahme. Sogar der Weg in den Frauenchor schien ihr zu gefährlich, denn sie hatte verfügt, in nächster Zeit die Horen und Andachten hier im Kapitelsaal zu beten. Damit war bewiesen, dass die Äbtissin eine Flucht aus dem Frauenkonvent zumindest befürchtete.
    „Wie im Himmel, also auch auf Erden.“
    Verstohlen sah sich Mathilda um. Wer kam noch dafür infrage?
    Welche der Nonnen hatte bisher auf sie einen unangepassten Eindruck gemacht, Tendenzen zum Luthertum gezeigt und war ganz allgemein eher rebellisch? Außer Katharina und ihr – und natürlich Elisabeth?
    „Unser täglich Brot gib uns heute und vergib uns unsere Schuld.
    Wie auch wir vergeben unseren Schuldigern ...“
    So sehr sie auch umher sah, sie entdeckte niemanden. Sollte eine der Anwesenden hier sich mit Fluchtabsichten tragen – Mathilda wäre sehr überrascht. Wenn Mutter Örtlerins Überlegungen in die gleiche Richtung gingen wie ihre ... Sie musste ab sofort noch vorsichtiger sein und durfte unter keinen Umständen mehr ihre 'Visionen' bemühen, um eine Ausnahmeregelung zu erwirken.
    „Und führe uns nicht in Versuchung,
    sondern erlöse uns von dem Bösen.“
    Wie aber sollte sie nun mit Arno in Verbindung treten? Kein Unterricht mehr, kein Aufenthalt in der Kirche – und schon gar kein Besuch des Laienschwester-Balkones.
    „Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit,
    in Ewigkeit.“
    Es sah wirklich so aus, als würden ihr die Hände gebunden sein. Sie war von Arno völlig abgeschnitten. Was also sollte oder könnte sie tun? Außer abwarten und hoffen?
    „Gegrüßet seist du, Maria,
    voll der Gnade, der Herr ist mit dir.“
    Brot und Wasser hatten Äbtissin und Priorin als Mittagsmahl herbeischaffen lassen. Und den Abtritt hatten die Nonnen nur in sorgfältig ausgesuchten Gruppen aufsuchen dürfen. Mathilda und Katharina selbstverständlich getrennt. Die Schönin war ihrer Gruppe zugeteilt gewesen, Mutter Hutterin Katharinas. Die schienen als sicher zu gelten, im Gegensatz zu ihnen beiden.
    „Du bist gebenedeit unter den Weibern
    und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes, Jesus.“
    Jetzt würde es gleich zum Kapitel läuten. Ob sie wenigstens dann aufhören würden zu beten?
     
    Wieder auf die Beine zu kommen und sich anschließend hinsetzen zu können, war eine Erlösung. Mathilda sah ausschließlich erleichterte Gesichter, als Mutter Örtlerin nach vier Rosenkränzen mit einem abschließenden Flehruf um Gottes Beistand in 'diesen Zeiten' das allgemeine Gebet beendete.
    Sie winkte Elisabeth zu sich, flüsterte ihr etwas zu und beobachtete, wie die eilig aus dem Saal lief. Erst als sich die Türe hinter ihr geschlossen hatte, wandte sie den Kopf und sprach: „Ihr habt es alle mitbekommen. Heute ist ein schwerer Tag für unseren Orden“, begann sie ihre Rede. „Möge Gott verhindern, dass uns noch größerer Schaden treffe. Ihr wisst es bereits alle. Es ist schlimm genug, dass Pater Heussgen uns heute Nacht verlassen hat und ...“ Sie brach hastig ab, als hätte sie zu viel gesagt.
    Und – wer noch? Mathildas Herz

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