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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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nicht zu diesen Andersdenkenden gehört hatte, konnte er getrost außer Acht lassen.
    „Ihr, Palgmacher, seid ein Heuchler“, griff er gleich von Neuem an. „Erinnert Euch doch bitte, wie scharf Ihr damals darauf wart, den hochangesehenen Domprediger zu Augsburg hier aufnehmen zu können!“
    „Na, dieses Ansehen ist ja wohl mehr als zweifelhaft – nun, da der Kerl zu Luther übergelaufen ist“, spuckte Palgmacher aus und schlug sich dramatisch aufs Herz: „Was uns bleibt, ist die Schmach!“
    „Tröstet Euch.“ Arno spie nicht minder. „Was in Wahrheit bleibt, sind sein Geld für Euren Traum von der Pfarrkirche und seine Bücher.“
    Die Augen im feisten Gesicht des Priors blinzelten einen Moment stumm, doch mittlerweile war Arno so wütend, dass er sich sowieso nicht mehr bremsen ließ: „Ihr persönlich handhabt die Regeln der Kirche und des Klosters mehr als locker – solange Euer Leben dadurch angenehmer wird. Das einzige Prinzip, welches Euch davon abhält, Euch näher mit den Reformbemühungen Luthers auseinanderzusetzen, ist doch, dass Eure Macht als Priester beschnitten werden würde, sollten sich die neuen Ideen durchsetzen.“
    „Du erbärmlicher ...!“ Palgmacher hatte seine Sprache wiedergefunden – in Grenzen allerdings; statt zu sprechen, machte er Anstalten, auf Arno loszugehen.
    Eine jähe Bewegung hinter dem Klausurgitter jedoch zog ihrer beider Aufmerksamkeit zur Örtlerin. Die stand in der Mitte ihres Bereiches, kerzengerade aufgerichtet, beide Hände gebieterisch erhoben, ihre Augen leuchtend.
    „Hört auf, Euch gegenseitig zu bekämpfen“, verfügte sie in majestätischem Ton.
    Dies war einer der Momente, in denen sie über sich selbst hinauswuchs, eine Macht ausstrahlte, die einer Äbtissin würdig war. Ob das im Hinblick auf die Unsicherheiten bezüglich Arnos Stellung hier wirklich günstig war, wagte er jedoch zu bezweifeln.
    „Verzeiht, Mutter Örtlerin“, wandte er sich mit einer demütigen Verbeugung an sie. „Ich wehre mich nur dagegen, hier als Abtrünniger abgestempelt zu werden – einfach weil ich bereit bin, mich in größerem Maße kritisch mit der Kirche und meinem Glauben auseinanderzusetzen als andere.“ Das ist nicht gelogen, das ist nicht gelogen, das ist die pure Wahrheit.
    „Wie steht Ihr zu unserem Glauben, Pater Wayden?“, wurde er von der Örtlerin unterbrochen.
    „Ja, um diese Frage geht es! Antwortet, Wayden!“ Palgmacher, zischend vor Hass.
    Witterte er, dass Arno sich hier auf dünnes Eis begab?
    „Ich bin hier“, entgegnete der. Seine Stimme war ruhig und fest. Wie schnell sein Herz schlug, darin nicht hörbar. „Ich bin nicht mitgegangen.“
    „Ihr habt Euch eine ganze Woche sonst wo in der Weltgeschichte herumgetrieben!“
    Arno hielt sein Aufstöhnen innerlich. Es wäre ja auch zu schön gewesen, wenn er um diese Diskussion herum gekommen wäre.
    „Ihr wollt doch jetzt nicht behaupten, dass Eure Abwesenheit nichts zu tun gehabt hat mit Euren Zweifeln, mit den Verlockungen Martin Luthers und seinen gotteslästerlichen ...“
    „Meine Reise nach Freising hatte nichts mit Luther zu tun, und Ihr, Mutter Örtlerin, wisst das.“ Arnos Nackenhaare hatten sich aufgestellt. All sein Augenmerk auf den Regungen seines eigenen Gesichts.
    „Dieser von Gott geschickte Traum, den Ihr mir gegenüber erwähntet ...“
    „Ach?“ Palgmacher sprang sofort darauf an. Seine erhobenen Augenbrauen wirkten deplatziert in seinem runden Gesicht. „Gott hat Wayden angewiesen zu verreisen? Wie bequem! Denn wer kann das nachprüfen? Geschweige denn, ihn der Lüge bezichtigen?“ Speicheltröpfchen stoben hervor, als er lauthals schnaubte. „Das glaubt Ihr doch wohl nicht einen Moment lang, Mutter Örtlerin“, beschwerte er sich, nun in seinem gewohnten Nörgelton. „Jeder dahergelaufene Tagelöhner kann behaupten, Gott habe ihm sonst was erzählt!“
    „Verehrter Prior, Ihr steht einem Orden vor, der auf den Visionen der Heiligen Birgitta fußt, die sich sogar mit der Frage befassen, unter wie vielen Decken ihre zukünftigen Nonnen schlafen sollten“, fiel Arno ihm ins Wort – rasch die Assoziation an die frierende Mathilda zur Seite drängend.
    „Was wollt Ihr damit sagen?“, trat Palgmacher drohend auf ihn zu.
    Der ihm erst einmal demonstrierte, wie die Augenbrauenmimik gehandhabt werden musste. Bis diese in sich zusammenfiel:
    „Nun ja, meiner Meinung nach hat Pater Wayden schon ein gewisses Gespür ...“
    Verblüfft fuhr er zur Äbtissin herum.

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