Und fuehre uns in die Versuchung
einen eindringlichen Blick auf Arno. „Seit heute Morgen bekannt wurde, dass schon wieder ein Bruder aus dem Kloster geflohen ist ... Mutter Örtlerin bewacht uns, und alle Türen sind versperrt.“
„Keine Sorge, wir ...“
Mathilda fiel ihm ins Wort: „Elisabeth hat gesagt“, hastig dämpfte sie ihre Stimme, als sie Arno zusammenzucken sah, „dass sie dich heute vor dem Kapitel ins Kloster lassen wird. Und dass du Katharina holen wirst.“
„Ich werde die Kerkertüre aufschlagen müssen“, raunte Arno durch das Gitter. „Deswegen müsst ihr dafür sorgen, dass es ein lautes Kapitel wird.“
Mathilda seufzte – und nickte. „Ich lasse mir etwas einfallen.“
„Nach dem Kapitel, wenn sie in den Frauenchor ziehen, rennst du zur Pforte. Es muss wirklich schnell gehen, denn wir können nicht wissen, wann dein Fehlen bemerkt wird.“
„Und du wartest dort, mit Katharina?“
Arno nickte.
Wenn sie mitkommt, dachte Mathilda.
„Mathilda?“, ließ sie im nächsten Moment zusammenzucken. „Wir müssen allmählich ...“
Oh nein, noch nicht! Aufgeschreckt suchte sie Arnos Augen. „Nur noch einen Augenblick, es ist ganz bestimmt niemand hier, und noch ist doch keine Essenszeit, oder?“
Ein resigniertes Lächeln huschte über sein Gesicht. „Wir sind unvernünftig“, zögerte er.
Sie legte den Kopf schief. „Sag mir noch, dass wir heute nach Augsburg gehen“, bat sie.
Jetzt lächelte er und nickte. „Wir gehen nach Augsburg.“
„Und dort werden wir gleich heiraten?“
“Nur, wenn du mich dann noch willst.“ Seine angespannten Lippen verzogen sich zu einem schiefen Lächeln.
Bestürzt sah Mathilda ihn an. Waren seine Zweifel zurückgekehrt? „Warum sollte ich dich nicht mehr wollen?“
„Weil ich dir ... Vielleicht, weil es draußen tausend junge und schöne Männer gibt?“
„Keine Sorge“, strahlte Mathilda ihn da an. „Du bist mir bestimmt nicht zu alt.“
„Das meinte ich nicht“, wurde sie von jenseits des Beichtgitters zurechtgewiesen. „Aber ich habe – nun ja, eine Vergangenheit, die du nicht kennst.“
„Du hast mir doch schon alles erzählt“, beteuerte Mathilda sofort.
„Von Rosa habe ich dir berichtet. Die habe ich zurückgewiesen. Aber ich habe dir nicht von Aurelia erzählt. Die – mich zurückgewiesen hat.“
Mathilda legte den Kopf ein wenig schief und überlegte. „War Aurelia zuerst?“
Sein angedeutetes Nicken reichte ihr.
„Warum? Hat sie dich plötzlich nicht mehr gewollt?“
Er zuckte leicht mit den Schultern. „Sie hat sich dem Druck ihrer Eltern gebeugt und den Mann geheiratet, den die für sie vorgesehen hatten. Eine bessere Partie als mich.“
„Oh.“
„Nachdem ... Mathilda, ich habe dann bei vielen Frauen gelegen.“ Er hielt seine Augen gesenkt. „Keine von ihnen habe ich geliebt. Ich wollte mir lediglich beweisen, dass ich sie haben könnte – aber ich habe jede Einzelne von ihnen verschmäht.“
Plötzlich hob er die Augen und Mathilda erkannte mit Schreck die alte Qual darin.
„Ich habe mich furchtbar aufgeführt, war hochmütig und abweisend, holte mir, was ich wollte, befriedigte meine niederen Triebe, und es war mir völlig egal, was die Frauen dabei empfanden.“
Mathilda nickte. „Du hast dich für das gerächt, was Aurelia dir angetan hat.“
„Ja, Mathilda, das habe ich. Und das ist der Mann, der ich immer noch bin. Ich frage mich immer wieder, ob du diesen Mann noch wirst wollen können, wenn du ihn erst genauer kennenlernst.“
„Du hast dich geändert, Arno. Du bist ins Kloster gegangen, hast bereut und dich geändert.“ Mathilda warf nun alle Vorsicht über Bord, legte ihre beiden Hände auf das Beichtgitter und sah Arno beschwörend an. „Du bist genau der Mann, den ich will.“
„Du kennst aber immer noch nicht die ganze Geschichte.“ Arnos Qual war noch nicht vorbei. „Erst als ich der vielen Frauen schon überdrüssig war, bin ich langsam zur Besinnung gekommen, in mich gegangen, schließlich auch beichten.“
Er hielt kurz inne, den Kopf nachdenklich gesenkt. Doch dann hob er ihn wieder: „Da ist mir ein Wunder geschehen. Ich geriet an einen Beichtvater, wie ich noch keinen gekannt hatte. Pater Bertram. Er war ... jung. Frei. Frei zu denken, auch neue Dinge zu denken, anders zu sehen. Und er war wunschlos glücklich mit Gott. Das war es vor allem anderen, was er mir gegeben hat. Das Vertrauen, dass meine alte Sehnsucht, Priester zu werden – das habe ich nämlich schon als richtig kleiner Junge
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