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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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als Edeltraud. Es war also richtig, was Schwester Jordanin gesagt hatte. Hierher kamen überwiegend ältere Frauen. Wenn auch wenige, denn zwei Laienschwestern in drei Jahren, das war nicht gerade viel.
    Sie warf einen Blick auf die Äbtissin, die sich, in der Mitte des Saales stehend, mit einer anderen, ebenfalls älteren Nonne unterhielt, die Mathilda bisher noch nicht aufgefallen war. Es dauerte wohl noch, bis dieses Kapitel beginnen würde. Das war vielleicht auch gut, denn von Katharina fehlte bis jetzt noch jede Spur. Was wäre, wenn sie zu spät kommen würde? Gäbe es dann eine Strafe?
    Die lange Bank der Chorfrauen füllte sich zusehends. Besonders auf der linken Seite. Bis auf einen waren dort schließlich alle Plätze vollständig besetzt. Das bedeutete wohl, dass der ihre ganz rechts sein würde. Und richtig, dort entdeckte sie auch die Nonne, die heute Mittag auf Katharinas anderer Seite gesessen hatte. Nachdem nun bis auf die Äbtissin und diese andere Nonne niemand mehr stand, setzte sich Mathilda einfach hin. Sie nickte ihrer Nachbarin zu, einer schon etwas älteren Chorfrau, und erinnerte sich, dass sie sie heute Vormittag in der Handarbeitsstube getroffen hatte. Sie musste also diejenige sein, die als letzte vor Katharina hierher ins Kloster gekommen war. Eigentlich ganz praktisch, diese Sitzordnung. Man war sofort orientiert. Richtig, die alte Nonne, die die Stickereiwerkstatt leitete, saß an erster Stelle. Wenn Mathilda Schwester Jordanin recht verstanden hatte, war Anna Hutter oder Hutterin, wie die hier sagten, selbst einmal Äbtissin gewesen, und sicher schon ewig hier. Sie war jedoch beileibe nicht die einzige alte Nonne. Mathilda sah noch zwei, die mehr oder weniger verhutzelt aussahen. Allerdings kannte sie von keiner der anderen Schwestern, egal ob jung oder alt, die Namen.
    Sie wandte den Kopf, als sie eilige Schritte hörte. Es war Schwester Jordanin, blass und verkniffen, gefolgt von Katharina, die einen ganz roten Kopf hatte. Beide huschten an ihre Plätze. Auch die Nonne, die gerade noch auf die Äbtissin eingeredet hatte, war nun zur Bank gegangen und hatte sich gesetzt. Mutter Örtlerin jedoch nahm ein Glöckchen von der Lehne ihres Thrones, hob es, dass alle es sehen konnten, und ließ es leise läuten.
    „Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.“
    „Amen“, tönte es von den Bänken zurück.
    Eine der Nonnen stand auf, trat einen Schritt nach vorn und begann zu sprechen: „Die abkömmlichen Laienschwestern, sie mögen das mit ihrer Verantwortlichen besprechen, sind ab morgen zur Apfelernte eingeteilt. Ebenso die Kandidatin Mathilda Finkenschlagin. Sie sollen sich nach der Messe an der Klosterpforte einfinden und gemeinsam zu den Obstwiesen gehen. Den Anweisungen des Hofbruders ist Folge zu leisten, darüber hinaus wird die Arbeit in vollständigem Stillschweigen ausgeübt. Nach Sexta werden sie ihren eigenen Aufgaben nachgehen.“
    Die Nonne setzte sich wieder hin.
    Mathildas Schreck, dass sie nun tatsächlich bei den Laienschwestern eingeteilt war, verflüchtigte sich, als sie hörte, dass der Nachmittag für die normalen Aufgaben vorgesehen war. Sie würde also wieder in die Bibliothek zum Unterricht gehen. Sie sah zu Edeltraud hinüber, die sie ihrerseits ansah – und lächelte. Vielleicht war sie eine der abkömmlichen Nonnen? Der Gedanke gefiel Mathilda und sie sah sich schon in strahlender Sonne mit einem Korb über Wiesen gehen, an Obstbäumen sich aufrecken und Äpfel pflücken. Oh ja, das würde ihr gefallen.
    Die Äbtissin hatte sich erhoben, war ein paar Schritte vorgetreten und sah sich nun betont aufmerksam um.
    „Gibt es jemanden, der etwas zu sühnen hat?“
    Mathildas Kopf ruckte hoch. Was meinte die Äbtissin damit?
    Im Saal, in dem es die ganze Zeit schon ruhig gewesen war, wurde es noch stiller. Eine fallende Nadel wäre laut zu hören gewesen.
    „Niemand?“ Die Äbtissin wartete einige Momente, ehe sie seufzte. „Nun gut, dann lauschen wir der Anklage.“
    Mathilda fühlte auf einmal eine Bewegung neben sich. Sie wandte den Kopf. Katharina hatte sich ganz klein gemacht – und zitterte.
    Was hatte sie denn auf einmal, war sie krank? Mathilda wollte sie gerade anstupsen und fragen, als sie die Schwester, die kurz zuvor noch auf die Äbtissin eingeredet hatte, vortreten sah.
    „Ich habe eine Anklage vorzubringen.“
    Durch den Saal lief ein Seufzen. Leise zwar nur, dennoch aber deutlich zu hören. Jede einzelne Nonne saß nun

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