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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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gestern.
    Die immer noch gleiche Nonne öffnete ihr und ließ sie diesmal sofort ein ins Kloster. Jetzt musste sie also nur noch den Weg zum Kapitelsaal finden. Entschlossen ging sie durch die innere Türe, auf die kleine Treppe zu.
    „Warte auf mich“, sagte die Nonne hinter ihr. „Alle anderen sind schon zurück. Ich bin extra deinetwegen hier geblieben. Jetzt sperre ich zu. Wir können gemeinsam zum Kapitel gehen.“
    Erleichtert blieb Mathilda stehen und beobachtete, wie die weiß beschleierte Nonne den großen Schlüssel im Schloss drehte, ihn abzog und unter ihrem Skapulier verstaute. „Den muss ich Schwester Schönratin bringen.“ Sie sah Mathilda an. „Das ist die Schließerin, weißt du?“
    Sie stellte sich als Edeltraud Harnisch vor. Ganz im Gegensatz zu gestern, plauderte sie heute munter drauflos. Sie sei schon seit drei Jahren im Kloster und würde bald die zweiten Weihen ablegen. „Dann gehöre ich ganz und gar zu Jesus“, sagte sie und lächelte verzückt.
    Mathilda nickte besonders überzeugt, um ihre Skepsis nicht zu zeigen. „Und was ist deine Aufgabe hier?“, fragte sie, trotzdem ehrlich interessiert.
    „Hast du nicht aufgepasst? Ich helfe der Schließerin.“ Edeltraud lachte hell auf. „Das ist eine sehr ehrenvolle Aufgabe. Ich schließe, wenn Schwester Schönratin die Post zensiert oder anderweitig beschäftigt ist.“
    „Schließt du auch den Finsteren Gang auf?“, fragte Mathilda. Immerhin hatte der vorn und hinten eine Türe.
    „Aber natürlich“, bestätigte Edeltraud sofort. „Es ist sogar ganz besonders wichtig, dass der immer gut verschlossen wird. Jeder könnte sonst über den Friedhof auf das Klostergelände gelangen.“
    „Ja.“ Aber das war es nicht, was Matilda interessierte. „Sag mal, hast du gar keine Angst in dem dunklen Ding?“
    „Unheimlich ist es schon“, sagte Edeltraud. „Ich singe immer, wenn ich morgens hineingehe. Außerdem weiß ich, dass niemand darin sein kann, weil ich ja aufsperre. Aber was noch wichtiger ist, ich habe immer eine Lampe dabei.“
    „Du Glückliche“, seufzte Mathilda. Eine Lampe hätte sie auch gerne, wenn sie ... Doch dann fiel ihr etwas ein: „Da drin gibt es noch eine Türe.“ Bei vier, setzte sie in Gedanken hinzu, sagte das aber lieber nicht. „Durch die könnte doch auch jemand kommen.“
    Verwundert blieb sie stehen, als Edeltraud erneut auflachte.
    „Du meinst den Sargraum unter der Kirche?“ Sie schüttelte den Kopf. „Nein, nein, diese Türe ist stets verschlossen. Den Schlüssel verwaltet der Männerkonvent drüben. Er wird schließlich nur gebraucht, wenn jemand stirbt.“
    „Was ist ein Sargraum?“ Entsetzt sah Mathilda die Laienschwester an.
    „Dort werden die Särge aufbewahrt, bis sie gebraucht werden“, antwortete Edeltraud leichthin - als handelte es sich um irgendetwas, Wäsche, Vorräte oder ähnliches. „Und das, was sonst noch für den Friedhof benötigt wird. Schaufeln, Hacken und all so etwas.“
    Mathilda sah Edeltraud entsetzt an. Das war – gruselig. Sie bekam Gänsehaut. Sicher, die Nähe zum Friedhof machte diesen Ort sehr geeignet für Särge und Schaufeln. Aber auch ohne war der Finstere Gang schauerlich genug. Mit deutlichem Unbehagen dachte sie daran, dass sie ihn täglich durchlaufen musste.
     
    Schneller als gedacht waren sie im Kapitelsaal angekommen, wo sich gerade die Nonnen einfanden. Trotz der unbestreitbar hohen Anzahl an Frauen ging es mehr als gesittet zu. Leise, als würde die Geräuschloseste einen Preis gewinnen, huschten sie auf ihre Plätze.
    Mathilda, die annahm, dass sie, wie im Refektorium, ebenfalls an allerletzter Stelle sitzen würde, warf einen Blick auf die Verteilung. Rechts und links saßen wieder die Weißschleier und sie konnte Edeltraud entdecken, die gerade auf die Bank rutschte. Mathilda selbst musste zu den Schwarzschleiern, aber ganz an den Rand. Bloß – welche Seite? Katharina, neben der sie sicherlich sitzen würde, konnte sie noch nicht entdecken, also beschloss sie, noch ein wenig zu warten. In dieser Zeit beobachtete sie Edeltraud, die den drittletzten Platz innehatte. Die junge Laienschwester hatte auf sie einen sehr zufriedenen Eindruck gemacht, was ihr entschieden Mut einflößte. Man konnte hier also glücklich sein. Oder werden , verbesserte sie sich in Gedanken.
    Wenn es stimmte, dass die zuletzt Gekommenen sich stets hinten anschlossen, war nach Edeltraud nur noch eine Laienschwester ins Kloster eingetreten. Die war entschieden älter

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