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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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unterordnen. Zur Sühne werdet Ihr eine Woche in der Küche aushelfen.“
    „Ssoll ich den Schlüssel holen, Mutter Örtlerin?“ Das war kaum mehr als ein Murmeln gewesen.
    Mathilda spürte schon wieder eine Gänsehaut. Dass diese Schönrätin mit diesem Schlüssel nichts Schönes im Sinne hatte, stand außer Frage.
    „Ich meine nur. Nach den Regeln ...“
    „Ich befolge keine Regel um der Regel willen, Schwester.“ Mutter Örtlerin. „Und ich wende keine Strafen an, die nichts bewirken.“
    Wovon redete sie? Mathilda blickte sich verstohlen im Saal um. Dort hinten in der Ecke befand sich ein Wandschrank. Was aber ...? Sie erschrak, als ihr die doch auf der Hand liegende Antwort kam. Die Schönrat wollte, dass Katharina geprügelt wurde? Was die sich erlaubte! Schläge zu bekommen, nur weil zwei miteinander geredet hatten! Und wiederum sah Mathilda wohlwollend zur Äbtissin, die sich so überzeugt dagegen verwehrt hatte.
    „Setzt Euch wieder“, ordnete sie in diesem Moment an, und Katharina und Schwester Jordanin folgten.
    Mathilda erwartete, dass sich die Äbtissin nun auch wieder hinsetzen würde. Doch sie wurde überrascht, als die sich nun direkt an sie wandte: „Mathilda Finkenschlagin. Da sich deine Begleiterin als so wenig zuverlässig erwiesen hat, teile ich dir hiermit Schwester Schönratin als neue Mentorin zu.“
    Mathilda schnappte nach Luft. Nur mit der sollte sie ab jetzt noch sprechen dürfen? Ausgerechnet mit dieser sadistischen Denunziantin? Das war schrecklich! Das war mehr als schrecklich, das war fürchterlich.
    Sie senkte den Kopf. Diese Strafe – und anders konnte sie es nicht empfinden – mochte gerecht sein, weil sie ebenfalls gegen das Silentium verstoßen hatte. Genau wie Katharina hätte sie dort auf dem Boden liegen müssen, wenn jemand sie beobachtet oder belauscht hätte. Plötzlich konnte sie die Vorsicht Katharinas verstehen, wenn sie sich immer erst umsah und vergewisserte, dass niemand in der Nähe war.
    Das also konnte die Folge sein! Mathilda wollte niemals derart auf dem Boden liegen müssen und nahm sich vor, nie mehr gegen eines der Klostergebote zu verstoßen.
     
    Sie hielt durch. Zumindest an diesem Tag. Bis sie nach Komplet endlich in ihre Kammer kam, hatte sie kein Wort mehr mit irgendjemandem gewechselt. Auch nicht mit der Hässlichratin, wie sie insgeheim beschlossen hatte, diese doch wirklich durch und durch hässliche Person zu nennen. Die immerhin die Einzige war, mit der sie eigentlich hätte sprechen dürfen. Aber das hatte Mathilda nicht gewollt. Wobei die ihr das leicht gemacht und sie keines Blickes gewürdigt hatte.
    Erst angesichts des auf der Kommode liegenden Rosenkranzes fiel ihr Sebastian wieder ein. An den hatte sie seit dem Unterricht heute, als Pater Arno sie auf Sebastians Buch hin angesprochen hatte, nicht mehr gedacht. In dem Moment hatte sie zwar dem Drang widerstehen müssen, den Pater zu bitten, es mitnehmen zu dürfen – um es jetzt unter ihr Kopfkissen legen zu können. Dann jedoch hatte sie Sebastian total vergessen. Hatte in vollen Zügen genossen, Pater Arno mit ihrem Wissen zu beeindrucken – oh Gott, Stolz und Geltungssucht, gleich zwei Sünden, die sie in der nächsten Beichte würde bekennen müssen. Hoffentlich nicht bei ihrem Lehrer persönlich!
    Doch auch das war mit der Zeit in den Hintergrund getreten. Am Schluss hatte sie einfach gedacht, gefragt, erklärt – und es war ihr richtig gut gegangen.
    Ja, strenggenommen war es heute nicht nötig, einen Rosenkranz zu beten. Das war doch gut, oder? Mit Pater Arno als Lehrer und Beichtvater würde sie endgültig über Sebastian hinwegkommen. Aber wenn Pater Arno den Rosenkranz für förderlich hielt?
    Entschlossen nahm sie ihn zur Hand und kniete sich auf die Bank vor dem Kruzifix. Konnte es schaden?

Mittwoch, 19. Oktober 1521
    Zusammenstoß mit der Schlange
     
    Aber wer eine Grube macht, der wird selbs drein fallen. Vnd wer den Zaun zureisset, den wird eine Schlange stechen.
    Altes Testament, Prediger 10, 8
     
     
    Ob man sich daran gewöhnen konnte, derart früh aufstehen zu müssen? Als Mathilda den beiden Laienschwestern, die ganz offensichtlich den gleichen Weg hatten, zur Klosterpforte folgte, musste sie noch immer gähnen. Dabei war sie jetzt schon – sie rechnete kurz nach - fast drei Stunden wach. Sie hatte die Nonnen während Vigil, Laudes, Prim und Messe beobachtet. Keine von ihnen hatte auch nur annähernd diese ausgeprägte Verschlafenheit gezeigt wie sie

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