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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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nun gefiel oder nicht. Sie rannte die Schritte zurück. Vielleicht ging es ja schnell?
    „Wir treffen unss heute nach Ssexta zu einem erssten Gespräch“, zischte Schwester Schönratin mit völlig unbewegtem Gesicht.
    Nein. Mathilda schüttelte den Kopf, das ging nicht. „Da findet mein Unterricht statt.“
    „Du widersprichsst mir?“, kam sofort die scharfe Gegenfrage. „Und überhaupt, du brichsst dass Ssilentium, ich hatte dir keine Frage gestellt.“
    „Mit Euch darf ich doch sprechen“, stellte Mathilda ruhig klar, auch wenn ihr Herz dabei heftig schlug. „Als Einziger.“
    „Dann bleibt immer noch der Widerspruch“, schoss die Schwester zurück.
    „Aber ich habe nach Sexta wirklich Unterricht und werde in der Bibliothek erwartet.“
    „Dass werden wir noch ssehen.“ Schönratins blaue Augen waren weit und drohend aufgerissen, der Mund zu einem siegesgewissen Lächeln verzogen. „Schließlich müssen Prioritäten gessetzt werden.“
    Oh ja, das hoffte Mathilda auch. Und sie hoffte so sehr, dass Pater Arno seinen Unterricht weit über ein Treffen mit dieser schrecklichen Nonne setzen würde. Schließlich konnte sie, Mathilda, fast jederzeit zu ihr an die Pforte kommen, wenn sich ein Gespräch schon nicht vermeiden ließ.
    Sie sah ihrer Widersacherin in die Augen und nickte stumm. Was hätte sie auch sagen sollen?
    Und während sie die Nonne sich umwenden und nach einem letzten bösen Blick auf sie ins Kloster zurückkehren sah, hatte sie die Unterrichtsstunde vom Vortag deutlich vor Augen. Pater Arno, der sich solche Mühe gab, sie adäquat zu unterrichten, und die ganze Lernstube mit den beiden Novizen darin. Dort hatte sie sich wirklich wohlgefühlt. Weil sie dort sprechen durfte, Fragen stellen, sich mitteilen, eine Meinung haben. Weil sie dort Mensch sein durfte, wie sie verstand, Mensch zu sein. Und nicht so wie hier. So schrecklich allein und einsam.
    Oh! Vor lauter Ärger über die hässliche Schwester, die längst hinter der wieder dunkel und abweisend verschlossenen Türe verschwunden war, hatte Mathilda die anderen vollständig vergessen. Schnell machte sie kehrt und lief auf das Tor zu, hinter dem sie verschwunden waren.
    Nichts. Natürlich. Sie waren weg. Hier gab es nur wieder einen Weg, diesmal begrenzt von kahlen Steinmauern rechts und links, mit einer Anzahl geschlossener Holztore. Wohin also? Ratlos blieb sie stehen.
    Diese gemeine Hexe! Die hatte doch mit Sicherheit gewusst, dass sie keine Ahnung davon hatte, wohin sie gehen musste. Sie machte ein paar zögerliche Schritte auf das erste der verwitterten Tore zu. Was dahinter wohl war?
    „Hier sind wir“, erreichte Mathilda der Ruf einer bekannten Stimme.
    Sie ließ ihre Hand sinken, mit der sie soeben das Tor hatte aufstoßen wollen, und sah den Weg entlang. Ein ganzes Stück weiter vorn winkte Edeltraud. Erleichtert lief Mathilda auf sie zu.
    „Ich hab hier auf dich gewartet“, sagte Edeltraud. „Weil ich mir gedacht habe, dass du uns sonst vielleicht nicht findest.“
    „Danke“, strahlte Mathilda sie an. „Du bist wirklich sehr nett zu mir.“
    „Ich versuche es bei allen“, sagte Edeltraud und errötete dabei. Dann öffnete sie das Tor, vor dem sie standen. „Siehst du, hier ist der Teil der Obstwiese, auf dem wir arbeiten werden.“ Sie neigte ihren Kopf zu Mathilda und sagte in vertraulichem Ton: „Selbst wenn du dort vorn durch das Tor gegangen wärst, wärest du hier gelandet. Aber mitten unter den Männern.“ Und damit wies sie ein Stück zurück, wo jetzt auch Mathilda dunkle Kutten sehen konnte – und unbeschleierte Köpfe mit ausrasierten Scheiteln. Ohne Zweifel Laienbrüder. Aber auch weltliche Obstpflücker konnte sie sehen, ohne Kutte. Lauter Männer.
    „Dass wir hier sein dürfen“, entfuhr ihr. „Dieser Versuchung ausgesetzt.“
    Edeltraud lachte. „Es ist wohl eher umgekehrt.“ Sie wies mit dem Kinn auf die arbeitenden Mönche. „Die sollen durch uns Frauen nicht in Versuchung geführt werden.“
    Und dabei winkte sie in die Richtung der bereits pflückenden Laienschwestern. Mathilda folgte ihrer Hand mit den Augen. Lauter alte Nonnen, fand sie und zuckte mit den Schultern. Wenn die eine Versuchung darstellen sollten ...
    „Schau, dort drüben sind die Körbe“, erlöste Edeltraud Mathilda von ihren sündigen Gedanken.
    Dankbar folgte sie ihr und ließ sich die Arbeit zeigen.
    „Wir dürfen eigentlich nicht miteinander reden“, sagte Edeltraud, als sie nebeneinander vor einem Baum standen

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