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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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und würde das auch nicht.
    „Unser allzeit korrekter Pater Arno“, grinste Palgmacher gönnerhaft. „Wird auch noch lernen, dass es zuweilen unabdingbar ist, die Regeln ein wenig zu dehnen. Mit Fingerspitzengefühl, Wayden, immer mit Fingerspitzengefühl. Aber das kommt mit der Zeit, keine Sorge!“
    Arno musste schlucken, um einer aufwallenden Übelkeit Herr zu bleiben.
    „Übermorgen habe ich einen wichtigen Termin mit einem Boten aus Köln, es geht um eine angeblich originale Schrift des großartigen Johannes von Landsberg, da weiß ich nicht, ob ich den verlegen kann – aber in der Woche danach übernehme ich die Beichte. Damit ich auch mal wieder nach dem Rechten schauen kann.“
    Arno hätte kotzen mögen – und das nicht nur Palgmachers schwärmerischer Verehrung wegen – ausgerechnet für einen Mönch aus dem wahrscheinlich am strengsten asketisch lebenden Orden der Karthäuser. Der obendrein glühende Schriften über das Herz-Jesu verfasste. Gegen die Arno nichts einzuwenden hatte, so war das nicht. Die nach seiner Auffassung nur so gar nicht zu Palgmachers lockerem, ausschließlich an seinem eigenem Wohlergehen interessierten Wesen passen wollten. Ach was, nicht passen! Palgmacher und Landsberg, das war lächerlich. Wozu eine gemeinsame Abneigung – in diesem Falle gegen Martin Luther – doch zuweilen führen konnte!  
    „Ehe Ihr geht, Pater Wayden!“ Noch einmal die Örtlerin.
    Arno, schon an der Tür, fuhr herum.
    „Eure ... Schülerin Mathilda war sehr betroffen und verunsichert von dem Prozedere im Schuldkapitel. Es wäre hilfreich, wenn Ihr sie Eurerseits noch einmal auf die Notwendigkeit der Einhaltung der Klosterregeln ansprächet. Und vielleicht auch auf die Gefahr durch die Lauer des Feindes hinweisen würdet – als zusätzliches Argument sozusagen.“
    Jetzt reichte es! Arno holte tief Luft. „Ihr seid für die Einhaltung Eurer Regeln in Eurem Konvent zuständig, verehrte Mutter Örtlerin“, stellte er in scharfem Ton klar. „Und könnt Euch der Methoden bedienen, die Ihr für richtig haltet.“ Er brauchte einen neuen Atemzug. „Ich habe alle Hände voll damit zu tun, in der von Euch diktierten Unterrichtssituation dafür zu sorgen, meine Schüler vor schwerwiegenderen Sünden zu bewahren als vor Verfehlungen am Regelwerk – und zwar mit meinen Mitteln.“
    Grundgütiger, wozu hatte er sich in seinem Zorn hinreißen lassen? Hastig ergriff er die Flucht, um den beiden von diesseits und jenseits des Klausurgitters begierig auf ihn gerichteten Augenpaaren zu entkommen. Seine Selbstkontrolle ließ aber auch wirklich zu wünschen übrig in diesen Tagen!

Apfelglück
     
     
    Es wurde immer wärmer. Schließlich wurde Mathilda in ihrem Mantel zu warm. Sie zog ihn aus und hängte ihn über einen der Äste des Baumes, an dem sie gerade pflückten. Diese Arbeit eignete sich hervorragend, um seinen Gedanken nachzuhängen. Strecken, pflücken, beugen und den Apfel ablegen, dann wieder strecken ... darauf musste man sich nicht konzentrieren.
    Sie dachte an zu Hause. Wie es ihrem Vater wohl gehen mochte? Erholte er sich von seiner Krankheit? Sie hoffte es von Herzen. Er würde sicher bald schreiben und ihr berichten, wie alles so lief. Das war etwas, was sie Schwester Schönratin fragen konnte: Durfte sie nach Hause schreiben? Sie hatte weder Papier noch Feder, vielleicht konnte sie in der Schreibstube etwas bekommen. In Gedanken beschrieb sie dem Vater, was sie hier tat, beschrieb den Duft der reifen Äpfel, ihren Glanz, wenn man mit dem Ärmel der Kutte leicht über ihre wachsartige Oberfläche rieb – und über die Lust, in einen dieser Äpfel zu beißen. Ihn sich einfach zu nehmen und zu kosten. Aber das war etwas, was mit Sicherheit verboten war. Mathilda hatte hier noch niemanden in einen Apfel beißen sehen.
    „Bäumetausch“, hallte eine laute Männerstimme zu ihnen herüber.
    Verwundert sah Mathilda Edeltraud an.
    „Jetzt kommen die Männer mit ihren Leitern hierher“, erklärte die leise. „Wir gehen dafür nach vorn und pflücken dort weiter.“
    Und tatsächlich, die Laienschwestern brachten ihre Körbe an die Mauer zu den bereits gefüllten und machten sich dann auf den Weg nach vorn, zwischen den Bäumen hindurch, wo ihnen die Männer schon entgegenkamen.
    Edeltraud ging mit gesenktem Kopf voraus und Mathilda bemühte sich, es ebenso zu machen. Dennoch war sie neugierig. Dies war eine Gelegenheit, die Mönche, die sie sonst nie zu Gesicht bekommen würde, einmal zu

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