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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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sehen. Also hob sie vorsichtig die Augen - und erblickte Georg. Er arbeitete also auch hier, so eine Überraschung! Strahlend lächelte sie ihn an. Ihr Herz machte einen entzückten Hopser, als er ihr Lächeln erwiderte.
    Und dann waren sie vorüber, angelangt bei den Bäumen, wo sie jetzt zu pflücken hatten. Mathilda holte sich einen Korb und setzte ihre Arbeit fort.
    Schließlich hörte sie die Klosterglocke hell schlagen, sah, wie sich Edeltraud und die anderen Nonnen niederknieten, wandte den Kopf und sah auch die Mönche knien, sank schließlich ebenfalls auf den Boden. Terz im Freien. Knien auf der Wiese statt auf hartem Holz. Auch nicht schlecht. Sie faltete die Hände, neigte den Kopf und lauschte den leisen Gesängen, die von den Mönchen herüberdrangen. Der Wind wehte sacht, kühlte ihre erhitzten Wangen. Mathilda hörte Insektengesumm und sah einen Schmetterling torkelnd über die Wiese flattern, auf der Suche nach Nektar in den allerletzten Blumen. Und dabei fühlte sie Glück in sich aufsteigen, fühlte, dass Gott nahe war. Vielleicht war ein Dasein als Nonne ja doch ganz schön?
     
    Nach Terz begann Mathilda der Hunger zu plagen. Leckere Äpfel vor Augen und Nase zu haben, sie dennoch nicht essen zu dürfen, wurde ihr langsam zur Qual. Die Arbeit kostete sie immer mehr Überwindung, der frischsüße Apfelgeruch war einfach zu köstlich. Daher rebellierte ihr Magen heftig, als endlich die Glocke zum Essen läutete. Dankbar reihte sie sich bei den Laienschwestern ein, als die sich, immer noch schweigend, auf den Rückweg machten. Mit züchtig gesenktem Kopf folgte sie ihnen als Letzte.
    „Den hast du vergessen.“
    Mathilda fuhr herum.
    Da stand Georg, lächelnd und rot im Gesicht, ihren Mantel in der Hand. „Er hing über einem Ast.“
    „Oh“, war alles, was sie herausbrachte, griff nach dem ihr entgegengereckten Kleidungsstück und lächelte erfreut. „Den hatte ich ganz vergessen.“
    „Es ist ja auch warm geworden“, bestätigte Georg kopfnickend.
    „Danke“, sagte Mathilda und warf einen verzweifelten Blick auf die davonziehenden Nonnen. Würde sie jetzt schon wieder den Anschluss verlieren?
    Georg, der ihren Blick bemerkt hatte, raunte: „Bis heute Nachmittag, gell?“
    Dankbar nickte sie und lief davon, den anderen hinterher. Georg war ein wirklich netter Kerl.

Rekreationsruhe
     
     
    Mathilda betete für sich: „Gott, ich mache noch so viele Fehler, hilf mir, sie zu vermeiden. Ich will es doch richtig machen.“
    „Amen“, tönte es von allen Seiten.
    Sie hob den noch immer sonnengewärmten Kopf. Allerdings mit dem Gefühl, schon wieder einen Fehler begangen zu haben, schließlich hatte sie während des Tischgebets etwas anderes gebetet. Das würde sie mit – mit Schwester Jordanin hätte sie darüber sprechen können, mit Schwester Schönratin jedoch ... Nein, sie würde das lieber in der nächsten Beichte vorbringen. Es war sicher keine große Sünde, schließlich hatte sie ja gebetet. Aber eben nicht das Richtige.
    „Heute ist Mittwoch, der neunzehnte Oktober 1521“, hörte sie eine vertraute Stimme und hob den Kopf. Schwester Jordanin stand vor dem Stehpult und blätterte in dem großen Buch, das dort lag: „Während des heutigen Mittagsmahles gedenken wir der Märtyrer Altinus, Asterius und der Jungfrau Fortunata.“
    Der Schmerz, der Mathilda bei ihrem Anblick erfasste, überraschte sie. Sie vermisste Schwester Jordanin. Jetzt war ihr klar, sie war eine, der man sich anvertrauen konnte, ohne das Gefühl zu haben, gleich verraten zu werden. Dass die Jordanin weder sonderlich herzlich gewesen war noch ausgesprochen gesprächig, spielte angesichts der Tatsache, wer nun stattdessen ihre Mentorin sein sollte, keine Rolle mehr. Mit Schwester Jordanin war es leicht gewesen zu reden. Das war alles, was jetzt noch zählte.
    Mathilda versuchte, sich auf das zu konzentrieren, was vorgelesen wurde, während sie Gemüse, Fleisch und Brot auf ihren Teller legte und, vor Erleichterung seufzend, endlich den ersten, heißersehnten Bissen in den Mund schob.
    „... und das Fest der ersten Ernte, der Frücht, die du auf dem Felde gesät hast ...“
    Mathilda hatte wieder die Apfelernte vor Augen. Die runden, festen Früchte, den verführerischen Duft, die Sonne auf ihrem Haar und das Gefühl der Hitze in ihren Wangen. Es war schön gewesen da draußen. Edeltraud war eine sehr Nette und Georg – war sehr freundlich gewesen. Ob man das wohl als Freundschaft bezeichnen konnte, wenn man

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