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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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wollte, zuckte erschrocken zurück, als die Äbtissin an ihnen vorüberlief. Mathilda sah ihr nach, wie sie die Türe öffnete und hinausging. Hatte sie etwas gemerkt? Reagiert zumindest hatte sie nicht.
    Doch Katharina zeigte sich auch diesmal denkbar unbeeindruckt. Sie neigte sich noch ein wenig mehr zu Mathilda und flüsterte: „Zu meinem Pech weiß das Mutter Örtlerin nur zu genau. Zuweilen ...“ Sie brach ab und wandte den Kopf zur Tür, wo die Kutte der Äbtissin gerade noch zu erkennen war.
    Mathilda, die ihrem Blick gefolgt war, sah Mutter Örtlerin leise auf Schwester Jordanin einsprechen.
    Katharina seufzte erneut tief. „Ich übe mich darin, auch diese Strafe leichter auszuhalten. Wenn es dann soweit ist ...“ Sie straffte den Rücken und hob den Kopf ein wenig höher. „Dann werde ich völlig unabhängig sein.“ Fast ein wenig hastig fügte sie hinzu: „Von allen Strafen.“
    Wieder wollte Mathilda nachfragen, was denn Katharina nun so fürchtete, doch wieder wurde sie von der Äbtissin davon abgehalten, die mit eisigem Gesichtsausdruck erneut an ihnen vorbeirauschte, auf ihren Platz zurück.
    In dieser Zeit hatte sich Katharina bereits gebückt und suchte unter ihrem Sitz herum, von wo sie zu Mathildas Verblüffung ein kleines Päckchen Stoff hervorzog.
    „Für meinen himmlischen Bräutigam“, erklärte sie augenzwinkernd, als sie Mathildas ungläubigen Blick bemerkte, schlug den feinen Seidenstoff auf und zeigte auf eine zierliche Stickarbeit voller Perlen. „Ich nähe ihm ein Festtagsröckchen.“
    Mathilda hatte nichts zu tun. Wie gestern. Irgendwie hatte sie es noch nicht geschafft, sich zumindest etwas zu Lesen hier bereitzulegen. Allerdings hatte sie auch keine Ahnung, woher sie etwas bekommen konnte. Vielleicht aus der Bibliothek? Die Bücher, die sie mitgebracht hatte, waren ja schließlich auch dort gelandet. Sie musste einfach mal Pater Arno deswegen fragen.
    Allerdings war ihr Bedürfnis nach einem Gespräch deutlich größer als danach, sich jetzt, in der einzigen Zeit des Tages, in der Sprechen uneingeschränkt erlaubt war, still zu beschäftigen.
    „Soll ich dir helfen?“, bot sie deshalb an. Mit einem Seitenblick auf die Nonnen ringsum, die zum Teil munter mit ihren Nachbarinnen schnatterten, fügte sie hinzu: „Wir könnten uns dabei unterhalten.“
    „Du hast recht“, nickte Katharina auch sofort und reichte ihr ein Stück Stoff. „Nimm das hier. Es wird ohnedies nicht gerne gesehen, wenn man nichts tut. Aber du nähst für dich. Du willst doch sicher auch deinem Bräutigamchen etwas Hübsches anziehen, oder?“
    Mathilda kicherte und nickte. Ihr Püppchen würde also nicht mehr lange nackt in eine Haube eingewickelt bleiben. „Wie viele von den Puppen hast du denn?“, fragte sie.
    Katharina lachte auf und wackelte mit dem Kopf. „Ich habe nur eine. Aber ich habe gesehen, dass manche von den Schwestern hier ganze Sammlungen davon haben.“
    „Was machen die mit denen?“, fragte Mathilda.
    „Sie ziehen sie schön an“, antwortete Katharina. Dann senkte sie die Stimme und rückte ihren Kopf ein wenig näher an Mathilda heran. „Sie tragen sie auch herum und singen ihnen Schlaflieder vor. Abends, wenn man nochmal in den Flur hinausgeht, kann man sie hören.“
    „Warum denn?“, fragte Mathilda erstaunt. Warum sollten erwachsene Frauen Puppen herumtragen?
    „Sie stellen sich vor, es wären ihre Kinder“, erklärte Katharina. „Das ist albern, ich weiß. Aber mir hat man gesagt, dass es in Frauen drinsteckt, sich um ein Kind kümmern zu wollen. Deswegen bekommen wir alle hier diese Trösterlein.“
    „Du meinst die Puppen?“
    „Ja“, nickte Katharina. „Es heißt, wir Frauen sind zufriedener, wenn wir wenigstens eine Puppe haben, die wir pflegen und anziehen können.“ Sie senkte den Kopf und spitzte den Mund: „Sie sagen, wir seien dann weniger unglücklich, getröstet halt. Deswegen heißen die Puppen so.“
    „Trägst du deine auch herum?“, fragte Mathilda.
    „I wo“, antwortete Katharina. „Ich ziehe ihr die neuen Kleider an und stelle sie auf das Podest auf der Kommode. Und morgens sage ich: 'Guten Morgen, mein lieber Bräutigam' und abends wünsche ich ihm 'Gute Nacht'.“
    „Meine Puppe habe ich eingewickelt und ihr ein Bettchen gemacht“, gestand Mathilda.
    „Mathilda Finkenschlagin“, tönte eine gestrenge Stimme durch den Raum.
    „J-ja“, sagte Mathilda und sah voller Schreck auf. Was hatte sie jetzt schon wieder falsch gemacht?
    Es

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