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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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weiter.
    „Pater Wayden! Gerade mit Euch wollte ich reden.“ Heussgen, ihm nacheilend. „Ich habe oben auf Euch gewartet.“
    Arno stieg in unvermindertem Tempo die Treppe zum Ausgang nieder.
    „Ich wollte Euch danken.“ Heussgen hatte mit ihm aufgeschlossen. „Hartwig hat mir berichtet, wie Ihr Euch heute Mittag für mein leibliches Wohl eingesetzt habt.“
    Arno konzentrierte sich darauf, nicht stehenzubleiben – und trotzdem in Heussgens Gesicht nach Anzeichen für Ironie zu forschen.  
    „Ich habe mich dem Willen des Priors gebeugt“, forderte er den Anderen heraus.
    „Und habt auf diese Weise dafür gesorgt, dass ich versorgt werde, ohne dafür eine offene Eskalation zu riskieren, die Ihr nur hättet verlieren können“, widersprach Heussgen – und hatte gewonnen. Arno war stehengeblieben.
    „Ist das Euer Ernst? Ihr seid einer der Rebellen.“
    Heussgen lächelte versöhnlich. „Ich bin hier, in einem konservativen Kloster.“
    „Nicht mehr wirklich.“
    „Es stellt sich die Frage, ob das klug war.“
    Arno sah ihn nachdenklich an. Das war ein zweifellos sympathischer Charakterzug – sich selbst zu hinterfragen.
    „Jedenfalls danke ich Euch sehr“, wiederholte Heussgen und lächelte warm.
    Arno setzte sich lieber erneut in Bewegung.
    „Ich wollte schon lange mit Euch reden, Hartwig schwärmt so von Euch.“ Heussgen dachte offenbar gar nicht daran, sich abschütteln zu lassen. „Es kam nur immer etwas dazwischen. Mein Ausschluss, dann meine Krankheit, die sich so lange hinzog ...“
    Missionieren würde Arno sich nicht lassen! Er beschleunigte seine Schritte. War sich gar nicht klar, wohin er eigentlich unterwegs war, immerhin schwänzte er gerade seinen Unterricht.
    „Ihr seid doch auch für einen offenen intellektuellen Austausch zu haben, oder irre ich mich da?“ Heussgen war schon ein wenig ins Keuchen geraten.
    „Ich fürchte, es ist nicht klug – wie vorhin – diesen offenen Austausch vor zu vielen Ohren zu praktizieren“, antwortete Arno diplomatisch, ohne nachzudenken den Weg zum Refektorium einschlagend.
    „Hartwig wird dichthalten“, überlegte Heussgen laut, Arno folgend. „Wolfgang, der alte Haudegen, garantiert auch. Demnach meint Ihr“, er grinste Arno von der Seite an, „die so freizügige Mutter Ursula petzt?“
    „Ich weiß es nicht.“ Arno hätte jedoch seine Hand dafür ins Feuer gelegt, dass die Einzelheiten, die die Örtlerin über die sich wandelnde Gesinnung von Heussgen-Oekolampadius wusste, fast allesamt von ihrer Vorgängerin stammten.
    „Habt Ihr Zeit für einen Disput unter vier Augen?“, fragte Heussgen jetzt direkt. „Ich habe dieser Tage das Gefühl, nur noch in meinem eigenen Saft zu schmoren – und bräuchte dringend ein paar neue Denkanstöße.“
    Arno warf dem neben ihm Gehenden einen skeptischen Seitenblick zu. Neue Denkanstöße? Ausgerechnet von ihm?
    „Gerade vor den jüngsten Ereignissen hier im Kloster“, begann der Ältere, um sogleich wieder zu verstummen.
    Arno hasste es, auf diese Weise manipuliert zu werden! „Welche ‚jüngsten Ereignisse’ meint Ihr – und was wollt Ihr da von mir? Ich bin nicht die Klosterleitung.“  
    „Nun, die Klosterleitung hat mich aus der Gemeinschaft ausgeschlossen.“
    „Und da nehmt Ihr mit mir vorlieb?“
    „Ich schätze es, mich mit denkenden Menschen auseinanderzusetzen“, erwiderte der Andere elegant. „Von daher vermisse ich unseren allseits beliebten Prior nicht wirklich.“
    „Ihr schmiert mir Honig um den Bart – wozu?“ Arno war vor dem Eingang zum Männerkonvent stehengeblieben.
    Heussgen mit ihm. „Ihr seid zu klug für meine bescheidenen Methoden.“ Er grinste schon wieder.
    Arno nicht. „Auch das ist Honig.“
    „Seid Ihr mit allen so streng, die freundlich zu Euch sind?“, lachte Heussgen gutmütig. „Aber ich will ehrlich zu Euch sein. Es geht mir um die Frage, die ich oben stellte, die Ihr doch noch mitbekommen habt. Wollen wir uns einen Moment in meine Kammer setzen?“
    Dort angekommen, war sämtliche Belustigung aus seinem Gebaren verschwunden. „Macht es Sinn, unser geistliches Leben von Rom loszulösen?“, formulierte er besagte Frage neu. „Können wir hier unseren Glauben leben, ohne von den römischen Verhältnissen beeinflusst zu sein – oder uns mitschuldig zu machen? Hat der Papst verdient, dass wir ihn mittragen durch unseren ehrlichen Glauben, den wir nach der Bibel und nach bestem Wissen und Gewissen leben – während in Rom allein das Geld

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