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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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bisst trotzig?“, fauchte die Schönin. „Dass werd ich dir schon ausszutreiben wissen. Wir gehen zur Äbtissin.“ In ihrem Gesicht hatte es verräterisch zu glühen begonnen.
    Mathilda war nicht trotzig. Aber unter Abwägung ihrer Möglichkeiten hatte sie sich dafür entschieden, es gar nicht zu probieren, mit der Schönin zu sprechen. Dennoch folgte sie ihr mit bangem Herzen in die Pforte, wo die unschöne Nonne den großen Schlüssel nahm, die Klostertüre aufsperrte und Mathilda über den Hof zum Redhaus führte. Fast war sie erfreut zu sehen, dass die Andere Mühe hatte, ihren wild im Wind flatternden Schleier vom Gesicht fernzuhalten. Mit eingezogenem Kopf rannte sie die letzten Schritte zur Türe des Redhauses fast, klopfte dort sofort und stürmisch.
    Zu Mathildas Verwunderung öffnete Elisabeth. Was machte sie denn hier?
    Die Schließerin persönlich jedoch wunderte sich keineswegs: „Könntet Ihr bitte die Äbtissin holen, ich habe einen schweren Regelverstoß anzuzeigen.“ Sie wies mit dem Kinn auf Mathilda, dann lächelte sie Elisabeth liebenswürdig an. „Ssie hat ssich unerlaubt von der Arbeit entfernt.“
    „Kommt herein“, sagte Elisabeth und öffnete die Türe weit zu einem Vorraum. „Mutter Örtlerin ist in einer Besprechung, aber ich werde sie sofort informieren.“
    Ohne Mathilda auch nur einen kurzen Blick zuzuwerfen, ohne auch nur ein Anzeichen einer Regung, verschwand sie durch eine weitere Türe, die sie rasch hinter sich schloss.
    Mathilda, die ihr nachgesehen hatte, kam zu dem Schluss, dass sie hier arbeiten müsse. Entweder im Redhaus selbst oder aber direkt bei der Äbtissin.
    Schwester Schönratin war vor der Eingangstüre stehengeblieben. Fast erwartete Mathilda, dass sie die Arme ausbreiten würde, um einen Fluchtversuch ihrerseits unmöglich zu machen.
    Sie fühlte sich in ihrer Haut gar nicht mehr wohl. Zwar hatte sie sich nicht unerlaubt von der Arbeit entfernt, aber irgendeinen Regelverstoß würde sie mit Sicherheit begangen haben. Zumindest in Bezug auf Edeltraud. Mathilda seufzte tief. Hoffentlich würde die ihretwegen keine Scherereien bekommen.
    „Wo hasst du dich denn davongestohlen, auss der Bibliothek?“, fragte die Schönin und machte dabei ein ansatzweise nettes Gesicht. Wahrscheinlich, um Mathildas vermeintlichem Trotz mit der ihr eigenen, falschen Freundlichkeit zu begegnen.
    „Ssag mir die Wahrheit, dann wird ess für dich nicht so schlimm.“
    Doch Mathilda schüttelte den Kopf und bemühte sich, ihre wachsende Unsicherheit nicht zu zeigen. Aus dem Unterricht fortgehen? Warum sollte sie das tun? Das war die beste Zeit des Tages und es war schlimm genug, dass er ausgerechnet heute nicht stattfinden konnte. Aber das würde sie selbstverständlich hier nicht sagen.
    Wie sie erst erlebt hatte, war die heftige Reaktion der Schönin kein Maßstab dafür, wie schlimm ein Vergehen tatsächlich war. Mathilda wusste inzwischen, dass die nur danach lechzte, andere bei Regelübertretungen zu ertappen. Ganz besonders jetzt bei Katharina und ihr, nachdem ihre Bemühungen am Samstag so erfolglos geblieben waren. Wie dumm aber auch von Mathilda, sich ausgerechnet in deren Dunstkreis begeben zu haben.
    Trotzdem - oder deswegen - konnte sie die augenblickliche Situation nicht einschätzen, hielt es aber für sehr wahrscheinlich, Schwierigkeiten zu bekommen.
    „Du widerborsstigess kleiness Biesst“, zischte die Schönin mit hämisch vorgeneigtem Kopf. Doch schon im nächsten Moment hatte sie sich wieder aufgerichtet und lächelte der sich öffnenden Türe freundlich entgegen.
    „Kommt herein“, sagte Elisabeth. „Mutter Örtlerin wird sofort Zeit für Euch haben.“ Dabei sah sie wieder ausschließlich die Schönin an.
    Sie führte sie beide über einen kurzen Flur in einen mit dunklem Holz vertäfelten Raum, durch dessen Mitte eine halbhohe Wand gezogen war. Die obere Hälfte bestand aus einem rautenförmigen Holzgitter. Davor und – wie Mathilda deutlich erkennen konnte – dahinter stand jeweils ein Tischchen mit einigen Stühlen.
    Sie waren hier im Redhaus, dies musste eines der sogenannten Besucherzimmer sein. Dort drüben also würde sitzen, wer immer hierher kam, um eine der Nonnen zu besuchen. Durch das viele Holz an den Wänden und der Zimmerdecke wirkte der Raum nicht karg, obwohl er bis auf Tisch, Stuhl, Kruzifix an der Wand und das auf den Klostereingang hinausgehende Fenster nicht weiter eingerichtet war. Die Luft allerdings roch abgestanden, wie das oft in

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