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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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wäre wirklich äußerst förderlich für das Ansehen unseres Klosters, wenn unseren Reihen eine Persönlichkeit entspränge, die Gottes Wort mit dem menschlichen Ohr zu hören vermöchte.“ Ihr sehnsuchtsvolles Seufzen hatte ihrer geschwollenen Ausdrucksweise die Krone aufgesetzt.
    Und Arno hatte es gewagt: „Euch ist die Bedeutung des Haupthaares für die Geistlichkeit eines Menschen bewusst?“
    Ein irritiertes Blinzeln. „Ihr meint die Bedeutung des Schleiers?“
    „Das, was ich meine, zeigt sich eher in der ursprünglichen Bedeutung der Tonsur.“
    Noch jetzt hier in der Unterrichtsstube wurde Arno heiß, wenn er sich in Erinnerung rief, in welche Lage er sich heute morgen im Redhaus gebracht hatte! Zumal er natürlich nicht bezweckt hatte, Mathilda mit einer Tonsur zu versehen.
    „Der unbedeckte Kopf soll Mönche offener machen für den Empfang des Heiligen Geistes, so weit ich weiß“, hatte die Örtlerin glücklicherweise erwidert.
    „Das Haar ist, wie gesagt, eng mit der Spiritualität eines Menschen verknüpft“, hatte Arno, vor seiner eigenen Dreistigkeit erschrocken, hustend wiederholt. „Ihr wisst sicher, weshalb man Novizen noch keine Tonsur schneidet?“
    „Äh ... nein.“
    Seine Gelegenheit: „Weil man deren Spiritualität langsam wachsen lassen muss“, hatte er im Brustton der Überzeugung vorgebracht. „Ein zu früher Verlust des Haares kann zu einer“, er folgte seiner wedelnden Hand mit den Augen, „Überforderung der jungen Seele führen.“
    Die Örtlerin hatte ihn angestarrt. Das Blut in seinen Wangen spürte er bloß jetzt.
    „Ihr wollt sagen ...“
    Bei der Ungläubigkeit in ihrer Stimme war ihm der Schweiß ausgebrochen. „Ich will sagen, dass es Schwester Mathilda verunsichern könnte, zu diesem frühen Zeitpunkt ihr Haar zu verlieren.“
    Da war es heraus gewesen.
    „Seid Ihr sicher?“
    „Der heilige Petrus war es, der seinerseits diesen Zusammenhang festgestellt hat“, war nun ganz leicht über Arnos Lippen gekommen. „Habt Ihr das nicht gewusst?“ Seine Augenbraue das Tüpfelchen auf dem 'i'.
    „Doch, natürlich, es dämmert mir wieder.“ Das Einlenken der Örtlerin. „Normalerweise sind wir ja nie in dieser Situation – sonst kommen die jungen Frauen doch erst nach ihrer Postulats- und Noviziatszeit.“
    „Was einen Sinn hat.“ Arnos Bekräftigung, extra gewichtig.
    Schließlich kam die Erfolgsbesiegelung seiner spontanen Mission seitens der Äbtissin. „Natürlich.“
    Heiliger Himmel – welch zweifelhafte 'Mission' war das gewesen? Heute Morgen war es ihm noch gelungen, nicht genau hinzusehen, was er da eigentlich getan hatte. Jetzt jedoch saß er hier im Unterricht und konnte die aufsteigende Hitze nur mühsam aus seinem Gesicht halten. Konnte man den Inhalt jenes Gespräches anders nennen als eine schamlose Lüge?
    Nun ja, die ursprüngliche Bedeutung der Tonsur – und dass es Petrus gewesen war, der sie zuallererst getragen hatte – war nicht erfunden. Ebenso wenig wie die Tatsache, dass der Verlust ihres Haares Mathildas Seele zutiefst erschüttert hätte. Er, Arno, hatte diese beiden Tatsachen lediglich miteinander verknüpft, einen – zumindest einigermaßen logischen – Zusammenhang hergestellt. Dass er nicht wirklich wusste, ob dieser Zusammenhang der Wahrheit entsprach – war das gleichbedeutend mit einer Lüge?
    Nun gut, auf jeden Fall hatte er sich seiner – allerdings bereits gebüßten – Lüge von letzter Woche bedient – und selbstredend spielte es keine Rolle, ob er diese noch einmal explizit ausgesprochen hatte oder nicht.
    Da sie aber bereits gebeichtet war, war es legitim, dass er sich selbst die ihm von Palgmacher verordnete Buße ein weiteres Mal auferlegte – ohne noch einmal zu beichten.
    Wie letztes Mal war er vor Gott ohnehin entlastet, weil er wiederum nicht zum eigenen Vorteil gelogen hatte. Sondern einzig und allein für Mathilda. Um dafür zu sorgen, dass ihre Seele das Klosterleben einigermaßen unbeschadet überstand. Und das konnte nur Gottes Willen entsprechen.
    Noch einmal tief einatmend, raffte Arno sich auf, um seinen beiden jungen Novizen einen Besuch abzustatten. Der Schwung, mit dem er Mathildas leerem Tisch auswich, war ihm bereits in Fleisch und Blut übergegangen.

Zopfkampf
     
     
    Nach Nona im Frauenchor lief Mathilda in ihrer Zelle unruhig auf und ab. Bald würde man sie abholen. Aufgrund Elisabeths Auskunftsunfreudigkeit war sie noch immer nicht viel schlauer geworden. Dafür umso unsicherer. Sie

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