Und führe uns nicht in Versuchung: Kriminalroman (German Edition)
schlug ich vor. »Und wenn ich noch Zeit habe, schnappe ich mir den Grabschänder. Wennst Lust hast, kannst gerne mitkommen. Vormittags sind deine Kinder ja im Kindergarten.«
Anneliese drehte sich beleidigt um.
Und ich würde niemanden beschatten. Auf gar keinen Fall.
In der Arbeit war mir danach, viele eigene Ideen einzubringen, und so redete ich recht gescheit über die Social-Media-Expertin und den Medienpädagogen daher, mit denen ich ein Telefoninterview geplant hatte. Richtig geplant war das zwar nicht, aber es war mir noch rechtzeitig vor unserem Meeting eingefallen, dass sich nach meinem Artikel über den Vortrag am Gymnasium Stellungnahmen von ein paar Experten zu dem Thema bestimmt gut machten. Der Kare war richtig sauer, weil er nämlich den blöden Auftrag abbekam, auf dem Friedhof nach dem Grabschänder Ausschau zu halten. Ich konnte mir ein Grinsen kaum verkneifen, als ich mich supergeschäftig hinters Telefon klemmte und die routinierte Journalistin raushängen ließ. Der Kare saß mit bitterer Leidensmiene vor seinem Computer und suchte anscheinend schon mal virtuell nach Grabschändern.
Nachdem ich die Termine für die Telefoninterviews gemacht hatte, packte ich noch geschäftiger meine Umhängetasche und düste nach Hause, um dort meinen Facebook-gefährdet-die-Jugend-Artikel zu schreiben und gleichzeitig den Herd zu überwachen.
Zu Hause stand schon wieder ein Fiat Punto vor der Tür, was ich sehr wohlwollend registrierte. Maarten war echt ein feiner Kerl, Bundfaltenhose hin oder her. Und dass man durch seine Ohren die Sonne sehen konnte, war schließlich nichts, was einen stören musste. Die zwei Hunde stürzten sich begeistert auf mich, ansonsten schien das Haus verwaist zu sein.
»Oma?«, rief ich etwas beunruhigt.
Es kam eine undeutliche Antwort aus Richtung Bad.
Na dann.
Als Erstes wollte ich mir einen Facebook-Account zulegen. Schließlich konnte man schlecht über etwas schreiben, von dem man gar keine Ahnung hatte.
»Jetzt hilf uns doch mal!«, rief die Oma noch immer reichlich undeutlich.
Seufzend ließ ich meinen bootenden Laptop auf dem Küchentisch stehen und ging ins Bad. Anscheinend betätigte sich Maarten sogar als Klempner. Mein Wohlwollen stieg ins Unermessliche.
»Meine Zähn«, erläuterte Großmutter sehr undeutlich. »Die sind da drin.«
»Das kriegen wir schon hin«, beruhigte Maarten sie. »Ich bräuchte nur eine Rohrzange.«
Rohrzange. Zähne.
»Die sind bestimmt im Siphon«, erklärte mir Maarten.
»Willst du nicht lieber neue vom Zahnarzt?«, fragte ich nach. Wenn ich nur an die ganzen Haare, den Sand und den Schlaaz im Siphon dachte …
»Ah geh, Mädl«, rügte mich Großmutter. »Die teuren Zähn.«
Seufzend setzte ich mich in Bewegung, um die Rohrzange zu organisieren.
»Und, klappt’s mit dem Ermitteln?«, fragte ich freundlich nach, als ich wieder zurück war.
Maarten nahm mir betrübt die Rohrzange ab. »Irgendwie komme ich nicht so richtig ins Gespräch.«
Max war echt ein Depp, den armen Maarten durchs Dorf zu jagen, wo er doch wusste, wie unkooperativ da alle waren. Ich setzte mich auf den Rand der Badewanne und sah ihm zu. »Manchmal hilft’s, wenn man irgendetwas ganz anderes erzählt. Dann vergessen die Leute, dass man eigentlich ermittelt«, schlug ich als Strategie vor.
»Das hatte ich auch vor. Ich habe erzählt …« Angestrengt drehte der Maarten mit der Rohrzange. »… dass ich drei ältere Schwestern habe.«
Hm. Der Schmalzlwirt würde jetzt sagen, die arme Sau.
»Der arme Bub«, sagte Großmutter undeutlich.
Maarten schraubte den Siphon ab und zog triumphierend die Teilprothese von Großmutter heraus. Schlaaz war gar kein Ausdruck für das, was man da sah.
»Das nächste Mal«, sagte ich und versuchte krampfhaft nicht auf die Zähne zu schauen, »erzählst du die Geschichte von den Zähnen im Siphon. Da stehst du gleich im Zentrum der Aufmerksamkeit. Die liegen dir da echt zu Füßen bei solchen Geschichten.«
»Ah geh«, sagte Großmutter schon wieder und nahm Maarten die Zähne ab.
»Und dann kannst du noch die Geschichte von der Rosl erzählen, der ist das nämlich auch passiert«, fabulierte ich begeistert weiter. »Die hatte nur keinen Maarten zur Hand, und dann ist sie mit dem Radl durchs Dorf und hat ihrem Mann nachgeschrien … Kimm hoam.«
Ich begann zu lachen und spürte, dass ich so schnell nicht aufhören könnte. »Ich muss arbeiten«, prustete ich undamenhaft und verschwand aus dem Bad. Ob das ein guter
Weitere Kostenlose Bücher