Und führe uns nicht in Versuchung: Kriminalroman (German Edition)
fürchtete.
»Die steckt das immer in die Küchenschürze«, erzählte sie mir. »Damit sie’s immer gleich findet, wenn’s läutet.«
Ich blieb vor dem Kühlschrank stehen und sah mir die bunten Magnetsticker an, mit denen die Marlis ein Kuchenrezept und eine Telefonrechnung an die Kühlschranktür gepinnt hatte. Anneliese öffnete zielstrebig einen Schrank in der Küche und holte eine Schürze heraus.
Anneliese zuckte mit den Schultern und fasste in die Schürzentasche. Strahlend reichte sie mir das Telefon.
Auf dem Display blinkte das Symbol für neue Nachrichten.
»Ein iPhone«, sagte ich neidisch. »Wie kann sich die denn ein iPhone leisten.«
»Ich sag’s ja. Hättst den Roidl g’heiratet. Dann hättst jetzt auch ein iPhone.«
Lieber würde ich bis ans Lebensende mit einem Prepaidtarif dahinkrebsen, als einen Dorschenschädel mit Tigertanga zu heiraten.
»Jetzt schau halt mal. Wer angerufen hat. Du kennst dich doch bestimmt mit so was aus.«
Ich kam mir mit Großmutters rosa Putzhandschuhen ziemlich blöd vor. Aber ich klickte trotzdem eine Weile herum.
»Wo bleibst du?«, war die erste SMS vom »Spatzl«.
»Spatzl?«, wollte Anneliese wissen.
Wahrscheinlich der Roidl höchstpersönlich. Ich rechnete im Kopf nach. Genau an dem Tag abgeschickt, an dem beide gestorben waren.
»Schau mal. Des hat der geschrieben, kurz bevor er gestorben ist«, hauchte Anneliese ehrfürchtig.
»Ist schon wieder der Akku leer?«, ätzte er fünf Minuten später hinterher.
»Typisch«, sagte Anneliese und versuchte, Sabine festzuhalten. »Die Marlis hat ja ständig ihr Handy vergessen. Und er hat sie immer blöd angeredet.«
»Er ist da«, war die nächste Nachricht.
Und noch eine letzte Nachricht: »Scheiße, er …«
Scheiße, er? Wer er? Und wieso Scheiße? Wieso hatte der Roidl die Nachricht unvollständig abgeschickt? Wahrscheinlich musste ich Max nur nach dem Todeszeitpunkt fragen, dann wusste ich, wieso. Mir wurde ein bisschen schlecht.
Ich klickte eine Weile herum, aber anscheinend hatte Marlis keine SMS gespeichert. Oder ich war zu blöd, sie zu finden.
»Wer ist er?«, wollte Anneliese von mir wissen. Als ich nichts sagte, fragte sie gleich weiter: »Und wieso Scheiße?«
Als ich wieder nichts sagte, beantwortete sie sich diese Frage selbst: »Aber wahrscheinlich hat er da gesehen, dass der andere total bewaffnet ist.«
Er.
Ich zuckte mit den Schultern. Er ist da. ER ist da.
»Leopardenbeutelchen?«, schlug ich vor, und Anneliese begann zu kichern.
»Vielleicht haben sie ihn erpresst«, machte ich weiter. Geldübergabe im Wald. Und dann hat er sie beide erschossen. Schließlich wollte er nicht, dass seine Frau das mit dem Tanga erfuhr.
»Wer das wohl ist?«, rätselte sie. »Vielleicht der Troidl?«
»Der hat doch keine Frau mehr«, erinnerte ich sie.
Wir starrten gemeinsam auf die letzte Nachricht. Hinter uns schepperte das Bienerl in der Küche.
»Das brauchen sie jetzt eh nicht mehr«, entschuldigte sich Anneliese und begann nach einer Kehrschaufel zu suchen.
Endlich hatte ich es geschafft, dass mir die letzten Anrufe angezeigt wurden. »Mama«, stand da und dann die Telefonnummer ihrer Mutter. Da war sie schon längst tot gewesen. Ein paarmal der Roidl selber, das konnte man daran sehen, dass die Marlis seine Nummer unter »Spatzl« gespeichert hatte. Und dann noch eine fremde Nummer. Die hatte angerufen, kurz nachdem die Anrufe vom Roidl aufhörten. Eine Handynummer.
»Er ist da«, las ich noch einmal die letzte Nachricht.
Ich hörte es in der Küche scheppern, als Anneliese die Scherben in den Mülleimer entsorgte.
»Da hat noch einer angerufen. Mit einer Handynummer.«
»Echt?« Anneliese tauchte aus der Küche auf, das Bienerl fest an der Hand. »Ja vareck.« Sie schaute mir über die Schulter.
»Kennst du die Nummer?«
Sie kniff die Augen zusammen. »Na. Gar ned. Wer des wohl ist? Wie kriegen wir des raus?«
Rückwärtssuche im Telefonbuch, dachte ich mir.
»Da rufst du jetzt an, dann wissen wir es«, schlug ich vor.
»Spinnst du, dann hat der ja meine Handynummer.« Anneliese tippte sich an die Stirn. »Mach du das doch von zu Hause.«
»Dass er meine Nummer hat«, grummelte ich böse.
»Ach geh. Ihr habts doch kein ISDN, eure Nummer wird doch gar nicht angezeigt.«
Da war ich mir nicht so sicher.
Ich klickte mich noch ein wenig durch das Menü und fand noch einen elektronischen Kalender. Anderl, stand am Dienstag vor vier Wochen drin, 13:45 SH. Am nächsten Tag
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