Und führe uns nicht in Versuchung: Kriminalroman (German Edition)
uns im Dorf keinen anderen Anderl und keinen anderen Girgl …
Der letzte Anruf mit dem Mörderhandy.
Er ist da.
Morgen ist auch ein Tag, dachte ich mir. Lasst uns morgen wieder nachdenken.
Auf dem päpstlichen Sofa konnte ich einfach nicht einschlafen. Ich kroch aus Max’ Umarmung zurück in mein Bett.
Am nächsten Tag war ich wirklich berühmt. Kare hatte die tolle Idee gehabt, eine kurze Filmsequenz aufzuzeichnen. Lisa Wild, die auf einem Gartenbänkchen sitzt. Und jetzt konnte jeder, der einen Computer hatte, sich ganz formlos auf unserer Zeitungshomepage einloggen und sich diese Sequenz so oft reinziehen, wie er nur wollte. Ich konnte nur hoffen, dass die ganzen Rosenkranztanten mit dem Internet komplett überfordert waren und mich deswegen nie in dieser grässlichen Lage sehen würden. Wenn ich psychisch wieder einigermaßen auf der Höhe war, würde ich mir eine Rache überlegen. So einfach kam der Kare mir diesmal nicht davon! Ich hatte ihn zwar schon mit Anrufen bombardiert, um ihn dazu zu zwingen, das Video von der Homepage zu nehmen, aber er nahm einfach den Hörer nicht ab. Um mich selbst zu quälen, mutete ich mir das Video gleich ein paarmal hintereinander zu.
Lisa Wild umzingelt von zwei Sanitätern, dem Schorsch und sage und schreibe fünf von der Freiwilligen Feuerwehr. Ob man vom Schmalzl, vom Metzger, vom Troidl, vom Mane und vom Loisl aus einer Notsituation befreit werden wollte, war natürlich eine berechtigte Frage. Und selbst auf dem unscharfen Bild konnte man sich sehr gut vorstellen, dass der Loisl sich schon vorher Mut angetrunken hatte und eh niemanden hätte retten können. Beim Metzger überlegte ich mir eher, ob es nicht Tarnung war und er in Wirklichkeit kurz vorher geschossen hatte. Aber das war nur eine unhaltbare Theorie von mir.
Ich war wirklich stinkesauer über das Video. Eine Weile hatte der Kare großformatig mein Gesicht gefilmt. Und ich sah aus, als hätte ich mein Gesicht in Streuselkuchen getaucht und danach noch drei Stunden geheult, so fleckig war ich. Ich hatte nicht geheult. Aber jetzt war ich nahe dran. Hin und wieder verstand man auf dem Video auch Satzfetzen.
Der Schorsch sagte zum Beispiel fünfmal: »Jetzt amal ganz langsam von vorne.«
Zu wem er das sagte, verstand keiner, wahrscheinlich zu sich selbst.
Der Loisl meinte einmal, wo denn jetzt das Feuer sei, aber das hörte man nur ganz leise, weil seine Aussprache durch den Alkoholkonsum so undeutlich war.
Die Reisingerin wiederholte sich ständig, dass sie natürlich nie in Erwägung gezogen hatte, dass das die Russen seien, die da einmarschierten. Meine Großmutter sagte bestimmt dreimal, dass das arme Kind nur einen Schnittlauch hätte holen sollen, und wenn sie gewusst hätte, dass bei uns im Garten rumgeballert würde wie im Wilden Westen, dann hätte sie natürlich auf den Schnittlauch verzichtet.
Und dann sagte der Schorsch, meist mit betont beruhigender Stimme: »Jetzt amal ganz langsam von vorne.«
Wieso die Reisingerin die Feuerwehr gerufen hatte, war sowieso die Frage. Was hätten die denn tun sollen? Mich aus dem Gartenhäusl rausschneiden vielleicht oder vom Baum runterholen. Aber sonst fiel mir dazu nichts ein. Natürlich waren die gerne ausgerückt, denn denen bei der Freiwilligen Feuerwehr passierte sowieso viel zu wenig.
Der Spaß mit dem Video war schließlich zu Ende, als Kriminalhauptkommissar Max Sander am Tatort erschien. Der hatte nämlich dem Kare das Gefilme verboten. Wie der Kare überhaupt so schnell Wind bekommen hatte von der Geschichte, hätte mich jetzt auch mal interessiert. Aber unserer Freiwilligen Feuerwehr war durchaus zuzutrauen, dass sie erst einmal die Zeitung anrief, bevor sie die Sirenen einschaltete und losfuhr. Für einen Moment konnte man auf dem Video schließlich noch verschwommen das Gesicht vom Max sehen, dann schwenkte die Kamera kurz auf eine Gruppe Neugieriger. Davon hatten wir in unserem Dorf eine ganze Menge, und alle hatten sich vor unserem Gartenzaun versammelt. Dann wurde das Bild für einen Augenblick ganz schwarz, und danach sah man wieder tapfere Männer, die gerne jemanden gerettet hätten, und in ihrer Mitte eine unglaublich streuselkuchige Lisa Wild, die heulsusig dreinschaute und einen Cursor mitten im Gesicht hatte. Auf den konnte man dann klicken, und der Film fing wieder von vorn an.
Die Folge war, dass ich von allen Seiten Äußerungen ertragen musste. Großmutter hatte zum Beispiel gemeint, dass wir uns, wenn wir das mit dem Gefilme
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