Und führe uns nicht in Versuchung: Kriminalroman (German Edition)
für brave Kinder?
»Mein Anderl, zum Beispiel, der hat ja an Waffen gar kein Interesse. Das sagen s’ zwar immer, die Buben, die mögen halt die Waffen, aber der Anderl und auch der Girgl gar nicht.«
Na ja. Wenn man immer bedröhnt war, war man bestimmt auch sehr friedfertig. So gesehen, war Drogenkonsum etwas durchaus Positives. Und beim Anderl war ich mir gar nicht so sicher. Der hatte vielleicht keine Mauser dabei, aber irgendeine kleine vollautomatische …
»Und was die mir auch immer helfen«, schwärmte die Kreszenz. »Mit dem Opa, zum Beispiel. Erst gestern Nachmittag, wie s’ auf dich g’schossen ham, da hat der Anderl den Opa schon wieder rausgefahren in den Wald. Wegen der Zaunlatten.«
Ach was. In meinem Kopf begann es zu rattern. Wieso erzählte sie mir das ausgerechnet jetzt. Das interessierte doch überhaupt niemanden, was der Anderl am Nachmittag so trieb.
Sie sah mich mit schief gelegtem Kopf an. »Und da hast auch Glück gehabt, weil wenn’s der Anderl nicht gemacht hätte, dann hätte der Mane losfahren müssen, und dann hätte er koane Zeit gehabt, dich zu retten.«
Mal abgesehen davon, dass der Mane mich nicht gerettet hatte und der Anderl ja auch bei der Freiwilligen Feuerwehr war und deswegen statt seines Vaters hätte kommen können.
»Ja. Toll, der Anderl«, platzte ich heraus. »Wo er doch bestimmt total drunter leidet, dass die Marlis jetzt tot ist.«
Die Kreszenz sah mich mit glühenden Augen an.
Großmutter machte dankenswerterweise tststs. Die Kreszenz raffte sich zu einer Antwort auf: »Ja, da leiden wir alle drunter«, und warf mir dabei einen Blick zu, als wäre ich an allem schuld. Dann ging sie einfach weiter. Ganz ohne Gruß. Anscheinend hatte ich ihr mit meiner letzten Aussage »das Kraut ausg’schütt’«.
Der krönende Abschluss war aber der Schmalzlwirt. Der gesellte sich nämlich zu uns, nachdem die Kreszenz weitergegangen war, und schilderte genauer, als es mir lieb war, was mit meinem Schulterblatt passiert wäre, wenn mich ein Teilmantelgeschoss dort erwischt hätte.
»Da fetzt’s einem a richtig große Wunden rein«, erklärte er begeistert. »Weil sich da des Geschoss zerlegt, verstehst?«
»Ah, geh weiter«, sagte Großmutter schroff. »So ein Schmarrn.«
Dankbar für diesen Kommentar ließ ich mich weiterziehen. Also wirklich, mir einen Blattschuss zu erklären, wo ich gerade einem Mordanschlag entkommen war, war wirklich das Allerletzte.
Maarten musste wieder einmal etwas anderes tun, als mich zu bewachen, und so saß ich erneut mit Großmutter in der Küche herum und hatte schlechte Laune.
»Und was hätte der Schaller gegen den Roidl haben sollen?«
Großmutter zuckte mit den Schultern. »Gar nix. Aber der Roidl hat was gegen den Metzger, den Troidl und den Loisl g’habt. Damals schon. Wegen dene Grundstücke.«
Ich sagte nichts dazu. Langsam wurde mir das wirklich zu bunt.
»Und«, sagte ich schließlich doch, weil Großmutter anscheinend keine Lust hatte weiterzuerzählen.
Großmutter sah mich an, als hätte sie schon wieder alles vergessen. Ich hätte am liebsten mit der Hand auf den Tisch gehauen.
»Grundstücke«, erinnerte ich sie. »Die Grundstücke vom Metzger.«
»Ja freilich.« Großmutter sah mich prüfend an. »Der Metzger hatte Grundstücke. Die war’n noch von seinem Opa, die hat der noch g’habt, bevor er derschossen worden war.«
Wow. Ich ließ den Mund offen stehen. Schon wieder ein Mord.
»Weil er halt geraucht hat«, erklärte Großmutter missbilligend. »Rauchen ist halt g’fährlich.«
»Echt, von wem denn?«, fragte ich fassungslos nach. Wegen Rauchen erschossen. Ich war echt fertig. Bei uns im Dorf war es anscheinend schon immer zugegangen wie bei den Hugenotten.
»Na ja, vom Russ’n halt«, erklärte sie mir. »Da hat er halt in der Nacht ein Zigarettl haben müssen, und des leuchtet doch in der Nacht. Des siehst ja über Kilometer. Und der Russ, der hat abdrückt.«
Ich unterdrückte ein Seufzen. Diese ganzen Kriegserinnerungen, die bei Großmutter in letzter Zeit hochkamen, waren vollkommen unbefriedigend. Die hatten nämlich nichts mit dem Roidl zu tun.
»Ach geh, Oma. Des is doch schon Jahre her«, unterbrach ich ihre blutrünstigen Schilderungen. »Und was war nun mit dem Roidl?«
»Lass mi halt ausreden«, schimpfte Großmutter. »Die Grundstücke hat der Metzger dann verkauft an den alten Roidl, genauso wie der Troidl und der Loisl. Die ham alle drei g’wusst, dass des nie ein Baugebiet wird,
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