Und führe uns nicht in Versuchung: Kriminalroman (German Edition)
Stirn ganz nah an der Tür. Entweder, um irgendwelche Sniper abzuschrecken, oder, um möglichst schnell fliehen zu können, wenn der Tratsch doch zu schlimm wurde.
»Die Kreszenz braucht gar nix sagen. Des is doch eh ned legal«, erklärte die Anni bestimmt. »Wo kämen wir denn da hin, wenn jeder sein Hasch anbauen würd.«
Ich sah fassungslos in die Runde. Leute über sechzig sollten das Hasch-Wort gar nicht kennen, geschweige denn in den Mund nehmen. Die Rosl hatte sich einen Stuhl nahe an die Anni gezogen und tätschelte ihr aufmunternd die Hand. Ob sie das wegen der Frisur tat oder wegen des Hanfs, war nicht ganz klar.
»Aber des mit dem Auto, des war ned richtig«, sagte die Anni und sah ganz weinerlich aus.
Das hätte ich auch getan, würde mir jemand die Hand tätscheln, der wie Gollum aussah. Aber anscheinend störte sie das gar nicht so sehr.
»Was ist mit dem Auto?«, fragte ich nach.
»Ja, da hat er die Luft rausg’lassen.«
»Der Kreszenz ihr Mann?«, fragte ich fassungslos. Das bestärkte mich ungemein in der Meinung, dass man sehr netten Leuten nicht über den Weg trauen sollte. Das waren im Grunde ihrer Seele keine netten Leute, sondern welche, die von ihrer schwarzen Seele ablenken wollten.
»Ah geh.« Die Anni sah mich im Spiegel an. »Der baut doch koan Hanf ned an.«
Es war eine Weile totenstill im Laden, anscheinend hatte niemand Lust, mich einzuweihen. Ich schwieg auch. Denn ich hatte keine Lust, um Informationen zu betteln.
»Der Anni ihr Mann, der war halt beim Hüten«, sagte die Rosl schließlich doch noch. »Und hat halt ned aufpasst.«
Beim Hüten? Nicht aufgepasst? An der Tür bimmelte es, und die Kreszenz kam herein. Jetzt schwiegen wieder alle und sahen angestrengt in ihre Zeitschriften.
Ich hatte noch immer nichts verstanden. Auf was sollte er denn beim Schafehüten groß aufpassen? Ich hatte ihn schon lange nicht mehr gesehen, aber im Frühling und Sommer ging er oft am Abend mit den Schafen raus und ließ sie weiden. Wahrscheinlich weil er das Geschnatter von der Anni nicht ertragen konnte.
»Und hinterm Hühnerstall vom Meier, da ist doch bisserl was g’wachsen«, sagte die Rosl schließlich, aber ich merkte gleich, dass das nicht an mich gerichtet war, sondern an die Kreszenz. Denn die Kreszenz schnaubte zornig durch die Nase.
»Wer hat nicht aufgepasst?«, fragte Großmutters Stimme.
Ich zuckte zusammen und sah in ihre Richtung. Großmutter saß unter einer riesigen weißen Trockenhaube und bekam nichts mit.
»Der Anni ihr Mann«, schrie die Rosl ihr zu. »Wegen dem Hanf vom Anderl.«
»Der Anderl hat keinen Hanf angebaut«, giftete die Kreszenz, plötzlich gar nicht mehr nett. »Der fängt jetzt dann sein Studium an.«
Was für ein Studium? Botanik?
Alle sahen die Kreszenz an, und allesamt mit leicht hochgezogenen Augenbrauen. Die Kreszenz lief rot an. Dann sagte sie: »Das ist alles nur wegen diesem Wellensittich vom Opa.«
Großmutters Kopf erschien neben der Trockenhaube. Anscheinend interessierte es auch sie brennend, wie der Wellensittich, der Opa vom Anderl und das Hanffeld zusammenhingen.
»Der Anderl macht nämlich immer den Vogelkäfig sauber. Und das, was noch drin liegt, hat er halt … da aufs Feld geschmissen.«
Großmutters Kopf verschwand wieder. Anscheinend interessierte sie bayerisches Marihuana doch nicht so sehr.
»Und da sind halt auch Hanfsamen dabei.«
Also, eigentlich war der Schaller-Opa schuld mit seiner ganzen Tierliebe. Jetzt musste ich nur noch hinter die Empörung wegen des Autos kommen.
»Und der Anderl macht halt für seinen Opa einfach alles.«
Alle sahen die Kreszenz an. Dass der fiese Anderl für irgendjemand auf dieser Welt einfach alles machte, war total weit hergeholt. Vor allen Dingen, dass jemand in so sauteuren Klamotten in seiner Freizeit den Wellensittich versorgte.
»Der ist ein ganz ein Braver. Zum Beispiel an dem Tag, an dem auf die Lisa g’schossen worden ist«, sagte sie. »Da hat er den Opa in den Wald gefahren. Damit der Opa das mit dem Zaun beim Forsthäusl machen kann.«
Jaha. Das hatte sie jetzt oft genug erzählt. Wahrscheinlich hatte der Mane seinem Sohn angedroht, ihn aus dem Haus zu werfen, wenn er sich nicht ab und an in das Familiengeschehen einbrachte.
Ich bedeutete Maarten, dass er sich jetzt mal ermittlungstechnisch aus dem Fenster lehnen musste. Aber Maarten tat so, als kapierte er gerade nicht, was ich von ihm wollte.
»Ja, der Anderl, das ist ein ganz Netter«, log ich der Kreszenz
Weitere Kostenlose Bücher