Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Und Gott sprach: Wir müssen reden! (German Edition)

Und Gott sprach: Wir müssen reden! (German Edition)

Titel: Und Gott sprach: Wir müssen reden! (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Rath
Vom Netzwerk:
aus, ist redegewandt, kann phantastisch kochen und hat obendrein auch noch ein ausgeprägtes Öko-Bewusstsein?», frage ich ungläubig. «Was noch? Ist er eine Granate im Bett?»
    Abel sieht mich ausdruckslos an.
    «Schon gut», winke ich ab. «So genau muss ich es nicht wissen.»
    Eigentlich ist die Frage auch längst beantwortet, wenn ich meiner Exfrau dabei zusehe, wie sie ihren Lebensgefährten anhimmelt.
    «Ich glaube, wir können dann auch langsam mal Schluss machen», sage ich zu Abel. «Was in diesem Capra-Film mit James Stewart funktioniert, muss ja nicht bei jedem klappen.»
    Abel nickt und schnappt sich im Hinausgehen eine halbe Flasche Wein nebst zwei Gläsern. Ich erwarte, dass wir nun wieder in die reale Welt zurückkehren, doch zu meinem Erstaunen liegt nun hinter der Eingangstür des Restaurants eine Treppe, die auf das verschneite Dach eines Hochhauses führt. Vermutlich geht hier oben ein eisiger Wind. Da ich davon nichts mitbekomme, befinden wir uns offenbar noch in jener Welt, in der ich nicht existiere. Nicht ganz fair von Abel, sich hier und jetzt einen Wein zu genehmigen. Wenn ich das richtig sehe, dann kann ich nämlich keinen trinken, weil ich ja nicht existiere.
    «Das stimmt nicht ganz», sagt Abel und setzt sich auf eine kleine Mauer, die den Dachrand markiert. Er lässt die Beine über dem gähnenden Abgrund baumeln und gießt uns ein. «Ich habe nur gesagt, dass du hier keine Bedürfnisse haben wirst und keine sinnlichen Empfindungen. Die Kälte hier ist real, aber du spürst sie nicht. Du kannst auch diesen Wein trinken, aber du wirst ihn nicht schmecken.»
    Ich setze mich neben Abel, nehme das Glas, proste ihm zu und probiere. Es stimmt. Ich schmecke nichts. Abel hingegen offenbar umso mehr. Genüsslich rollt er den Wein im Mund hin und her, lässt ihn dann mit einen anerkennenden Nicken die Kehle hinunterrinnen und bemerkt: «Dieser Marco hat wirklich Ahnung von den schönen Dingen des Lebens.»
    «Er kommt mir irgendwie bekannt vor», erwidere ich. «Ich habe mich schon eben die ganze Zeit gefragt, woher ich ihn kenne.»
    «Ach ja?» Abel zuckt mit den Schultern. Sieht so aus, als könnte er mir auch nicht weiterhelfen.
    Ich stelle mein Glas ab. Nach der Trennung von Ellen und dem Niedergang meiner Praxis habe ich meistens Wein getrunken, der nach nichts schmeckt. Ich nehme mir vor, das künftig bleibenzulassen. Immerhin ein erfreuliches Ergebnis dieser seltsamen Nacht.
    Ich blicke über die Dächer der Stadt. Man sieht von hier aus den Fernsehturm am Alex. In den meisten Häusern sind die Fenster erleuchtet. Die Stadt sieht aus wie ein überdimensionaler Adventskalender: hinter jedem Fenster ein Schicksal.
    Ich nehme eine Gestalt wahr, die ein paar Blocks weiter auf dem Dach eines anderen Hochhauses steht. Eine Frau. Als sie sich auf die Dachkante zubewegt, blickt sie beiläufig in unsere Richtung. Geschockt stelle ich fest, dass es sich um Hanna handelt. Hanna Kaufmann, im richtigen Leben Assistentin von Jonas und zugleich Mutter des gemeinsamen ungeborenen Kindes.
    «Was hat sie vor?», frage ich mit einem unguten Gefühl.
    «Sie will sich das Leben nehmen», entgegnet Abel ungerührt und nippt an seinem Wein.
    Ich starre ihn fassungslos an. «Das musst du verhindern! Sie ist schwanger. Von Jonas. Das hat sie mir heute Mittag selbst gesagt.»
    «Sie ist nicht schwanger. Nicht in dieser Welt.»
    Verwirrt schaue ich zu dem Dach, wo Hanna sich auf den Sprung in die Tiefe vorbereitet. Sie steht da und blickt in den Abgrund. Der Wind zerrt an ihrem dünnen Mantel.
    «Abel, bitte. Du musst was tun! Wir können hier nicht einfach rumsitzen und zusehen, wie diese Frau in den Tod springt.»
    «Sie springt nur in dieser Welt», erklärt Abel. «Und zwar, weil Jonas heute mit ihr Schluss gemacht hat.»
    «Weil … was? Was redest du denn da?»
    «Sie ist auch in diesem Leben die Assistentin und Geliebte deines Bruders. Er hat sie verlassen. Seinen Kindern zuliebe. Jana hätte andernfalls die Scheidung eingereicht.»
    Ich starre zu Hanna, die immer noch mit dem Abgrund liebäugelt.
    «Sieh es mal so», sagt Abel. «Vielleicht würde die schwangere Hanna im richtigen Leben jetzt auch auf diesem Dach stehen, wenn du heute nicht mit ihr gesprochen hättest.»
    Ich fühle mich gerade hoffnungslos überfordert. Wieder blicke ich zu Hanna, die nun in den Himmel schaut, dann wie in Zeitlupe nach vorn kippt und lautlos in der Dunkelheit verschwindet.
    «Nein!», rufe ich und springe hektisch auf.

Weitere Kostenlose Bücher