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Und im Zweifel fuer dich selbst

Und im Zweifel fuer dich selbst

Titel: Und im Zweifel fuer dich selbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Rank
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wartete, bis ich die Bettdeckezurückschlug, mich aufsetzte und dann aufstand. Nie wäre er vor mir in die Küche geschlichen, hätte leise Kaffee gekocht oder Brötchen geholt. Friedrich wartete, und ich ging voran. Er versuchte nicht, irgendetwas vorauszuahnen.
9
    Du hast angefangen. »Kapstadt« hast du auf ein Post-It geschrieben, es war schon dunkel draußen, deine Finger rochen nach Erdnüssen. Kapstadt hast du mir dann auf die Stirn geklebt mit ein zwei Krümeln zusammen. Ich sollte nicht raten, wer ich bin, ich sollte mitkommen.
    »Irgendwann« hast du noch hinterher geschoben, und ich habe dich fragend angesehen, du hast die Hände an deiner Hose abgeklopft und im Schoß gefaltet, dort, wo die Schienbeine sich im Schneidersitz überkreuzen. Ich hatte keine Ahnung, was auf dem Zettel stand, und trotzdem genickt. Die Tür deines Zimmers stand offen, deine Mitbewohnerin ging durch den Flur, eine Kerze flackerte. Es gibt andere Zettel, auf denen steht »Minigolf« oder »ein Bett mit Wänden«, und irgendwann landen alle in dem Karton unter meinem Bett. Es gibt zwei Stapel. Die einen sind die Pläne, die anderen sind erledigt. Abgehakt und durchgestrichen. Erlebt, schon Erinnerung. Episoden von uns, Geschichten aus Sommer und Winter und großem Hurra, die ich heraushole und durchblättere, wenn etwasfehlt, wenn etwas komisch ist zwischen uns und ich mich frage, was es ist, das Problem. Der Stapel mit den Plänen ist höher. Man vergleicht nicht, sagt Tonia.
    Manchmal habe ich Glück, und du machst weiter. Hier und da liegt ein neuer Zettel auf dem richtigen Stapel, wenn ich eine Weile nicht nachgeschaut habe. Ich weiß nicht, wann du sie schreibst, wann dir so was einfällt. Ob du jeden Tag in der Tasche einen Post-It-Block mit dir herumträgst. Ich könnte sie lackieren und das Haus tapezieren, am liebsten würde ich sie manchmal aufessen. Ich versuche, nicht zu oft nachzusehen, um einer Enttäuschung zu entgehen. »Lene, wir haben die Zeit unseres Lebens«, sagst du, als würde ich hetzen, und klingst dabei wie ein Groschenroman. Ich frage dann zurück, wie viel die wohl wiegt, die Zeit unseres Lebens, damit ich mir vorstellen kann, wie lang das wohl ist. »Hör auf damit«, beendest du unser Kräftemessen, eigentlich jedes, und ich frage mich selbst, wie viel Zeit vergehen muss, bis ich zur Vernunft komme. Unsere Pläne sind ein Daumenkino.

    Als wir mit Wolfgang im Schlepptau zurückkehrten, war kein Fuchs mehr da. Der große, breitschulterige Mann mit den breiten schwarzen Augenbrauen, dem schmalen Streifen weißer Stirn und der grünen Schirmmütze, unter der schwarze Locken hervorquollen, zeigte uns einen Vogel, als wir an der Stelle standen, wo er gelegen hatte. »Hab ich’s mir doch gleich gedacht«, lachte er laut und legte seine Hände auf den dicken Bauch unter dem Flanellhemd. »Nur Stadtkinder können so ’ne Panik machen wegen ’nem Vieh.« Ichversuchte, im Staub des Weges noch ein paar Spuren auszumachen, während Lenes Augen schon wütend blitzten. Ihre Wangenknochen bewegten sich, sie versuchte gerade, sich zusammenzureißen. Als er aber weiter lachte und langsam zum Auto zurückstiefelte, holte sie ihn ein und baute sich doch vor ihm auf, breitbeinig, und dann hielt sie ihm eine Moralpredigt. Sie sprach leise, sodass ich sie nicht verstehen konnte, und machte zwischen den Sätzen kleine Pausen. Einmal drehte sich Wolfgang verunsichert zu mir um.
    Er lud uns dann kleinlaut in die Gaststätte ein. Der schlafende Mann auf der Eckbank war inzwischen verschwunden, dafür saßen ein paar andere alte Männer an dem größten Tisch unter einem Holzschild, in das »Stammtisch« gebrannt worden war. Der Fernseher nebenan lief auf halber Lautstärke, schon von draußen hatten wir die Männer schwatzen und lachen gehört. Als wir durch die Tür traten, wurde es schlagartig still. In ihren dunkelgrünen Westen starrten sie uns an, und die, die mit dem Rücken zu uns saßen, drehten sich gemächlich zu uns. Am liebsten hätte ich direkt auf der Schwelle wieder kehrt gemacht, aber Lene sah entschlossen aus, machte einen Knicks und lehnte sich dann an die Bar. Ein Mann grinste, die anderen guckten nur und murmelten in sich hinein, ihre fleischigen Finger quetschten sie ineinander, wenn sie nicht gerade ein großes Bierglas darin hielten. Ich war froh, als die kleine Wirtin aus dem Hinterraum geschossen kam und uns fragte, wie es denn gewesen sei, ob er habe helfen können. Und Lene erzählte, während ich

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