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Und im Zweifel fuer dich selbst

Und im Zweifel fuer dich selbst

Titel: Und im Zweifel fuer dich selbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Rank
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einfach umfallen. Keine Ahnung, wo wir waren, seit Tagen fuhren wir kreuz und quer durch die Gegend. Der Wald stand ruhig neben uns,
     kein Wind ging, während Lene sich die Seele aus dem Leib hustete und gelbe,zähe Flüssigkeit kotzte. Mit der einen Hand hielt ich ihre
     Stirn, mit der anderen den kleinen, aber schweren Körper, aus dem jegliche Spannung gewichen war. Ich roch, dass sie noch immer die gleichen Klamotten
     trug wie bei unserer Abfahrt, und sie wimmerte. Ich drängte mich am Lenkrad vorbei, stand mit einem Bein in ihrem kleinen Rinnsal und mit dem anderen noch
     im Wagen, ihr Gesicht an meinem Bauch, »Bleib noch, Tonia«, flüsterte sie, ihr Körper war so schwer wie drei. »Ich bin da«, sagte ich, aber ich konnte ihr
     nicht sagen, alles wird wieder gut, denn ich wusste es nicht.

 
12
    Nachts rutsche ich an die Wand. Schon als Kind schlief ich kerzengerade. Die Fersen, die Waden, das Steißbein: Tapetenberührungspunkte. Zwischen die Wand und mich passt nichts. Es ist kühl so und die Wand macht einen Schatten, den man nicht sehen kann, eine Umarmung ohne Umarmung. Da kommt nichts dazwischen, und ich muss keine Angst haben vor schwarzen Löchern, einer hohen Welle, Unerwartetem, das nicht zur Einrichtung des Zimmers gehört. Jahrelang habe ich so geschlafen, ich tue es immer noch. Ich bin auf der Hut. Die Arme nach vorn ausgestreckt, damit jedes Monster daran vorbeimuss. Meine Hände als Auffanglager, die Finger in Fäusten. Du hast keine Wand an deinem Bett, dein Bett steht imRaum. Als ich das erste Mal darin lag, habe ich mich gefühlt wie in einer Jolle mit nur einem schmalen Rand zum Festhalten. Ich hatte die Wahl: Ich konnte mich dem Kopfende zurollen, um etwas im Rücken zu haben, aber auf zu kurzer Strecke. Kopf und Füße fielen heraus. Einen Moment lang zog ich diese Variante dennoch ernsthaft in Erwägung.
    Ich möchte nicht, dass du sagst, ich stelle mich an. Ich stelle mich zwar an, aber das sollst du nicht wissen und schon gar nicht sagen. Also habe ich es auf deine Art versucht in deinem Bett ohne Wände. Wir brauchten nicht darüber zu reden, du siehst immer sehr genau hin, das erspart einiges. Ich weiß, dass du versuchst, eine Wand zu sein, wenn du dich hinter mich legst. Du bist keine Wand. Wenn du nach einer Weile ruhig atmest und deine Arme und Beine nicht mehr zucken, drehe ich mich um und schiebe der Leere den Rücken zu, mache mich verwundbar, stelle mich. Man könnte mich schnappen, wegzerren, es wäre so einfach. Seltsam, wenn man sich nicht mehr anlehnen kann. Selbst im Schlaf macht das einen Unterschied. Ich beobachte dich im Dunkeln und die Schatten, die die vorbeifahrenden Autos an der Zimmerdecke hinterlassen. Balken und manchmal Figuren, ich sehe dich an wie eine von ihnen, ganz lange, bis deine Konturen aus dem Schwarz wieder auftauchen, dann sehe ich dein Kinn, deinen Hals und wie er in die Schultern übergeht. Du bist eine Hochebene, du bist keine Wand.
    Einmal habe ich geweint neben dir. Das passiert, wenn man eine Weile ins Schwarze starrt, wenn man versucht etwas zuerkennen, wo es zu dunkel ist. Dann fängt es an zu brennen und tränt. Es geht schnell vorbei, es ist nichts Ernstes. Bist du etwas Ernstes? Du bist der Unterschied.
    Deine Geräusche sind mir noch fremd, das Knistern der Bettdecke, wenn du dein Bein darauf legst, weil es unter der Decke zu warm ist. Dein Arm, wenn er sich Zentimeter für Zentimeter näher an die Bettkante schiebt, weil er schief liegt und abrutscht. Dein Schmatzen. Am Morgen liege ich meistens direkt am Rand deines Bettes, da passt nichts dazwischen, es gibt keinen Zentimeter Spielraum. Zwischen uns ist dann ganz viel Platz. Wie vereistes Land sehen die Linien auf dem Laken manchmal aus. Einöde bis an den Rand deines Handgelenkes, dort wird alles anders, alles ganz warm. Und morgens stehst du auf und ziehst die Laken glatt. Ich habe nicht einen Moment das Gefühl, dass du dir Mühe geben musst.

    Meine Handflächen spannten, als wäre meine Haut zu klein für mein Fleisch, als das erste Schild uns auf einen Dünenübergang hinwies. Es war windig, die Bäume wogten und schmale Streifen Weiß zeichneten sich auf dem hellblauen Himmel ab wie Kratzer im Lack. Wir hatten die Fenster herunter gekurbelt und konnten es schon riechen. »Bitte halt gleich an«, sagte Lene und schnallte sich schon ab, noch bevor der Wagen zum Stehen gekommen war. Nach links und rechts schaute sie, als sie die schmale Straße überquerte. Auf der anderen

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