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Und immer wieder Liebe Roman

Titel: Und immer wieder Liebe Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paola Calvetti
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menschlichen Wesen wollen an den Zufall glauben.« Diese Worte stammen von meiner Lieblingsschriftstellerin Antonia S. Byatt. Solltest Du noch nie einen ihrer Romane gelesen haben, bitte ich Dich, das nachzuholen. Fang mit Besessen an; falls Du den überstehst, bist Du für alle anderen gewappnet. Wenn Du meine Liste bekommst, kannst Du auf alle Fragen antworten oder auch nur auf die Hälfte.
Aber beantworte nicht weniger als ein Drittel, das würde ich nicht aushalten. Das war wirklich eine tolle Idee von Dir. Mein Postfach wartet.
    Emma
     
    P.S. Der esprit de l’escalier schlägt zu, wenn du merkst, dass du am Ende der Treppe angekommen bist und nicht alles gesagt hast. Das ist der Moment, in dem dir die schlagfertigsten Repliken und die scharfsinnigsten Kommentare einfallen... du hast nur nicht mehr die Zeit, sie auszusprechen.
     
     
    New York, den 25. April 200I
42 W 10 th Street
     
    »Weder Schnee, noch Regen, noch Hitze, noch die Finsternis der Nacht halten diese Boten davon ab, die ihnen anvertraute Strecke abzulaufen.« Worte von Herodot, die ich an diesem Morgen an der Fassade des 1913 erbauten General Post Office zwischen der Einunddreißigsten und der Dreiunddreißigsten West gelesen habe. Denk nur, Emma, ich bin schon Dutzende Male dort vorbeigekommen und habe es nie bemerkt. Für einen Architekten ist das kein geringes Versäumnis. Das Gebäude wurde von Charles Follen McKim, William Rutherford Mead und Stanford White erbaut, und auch wenn Dir diese Namen wahrscheinlich nicht viel sagen, für uns sind sie ein Mythos. Das Zitat hat William Mitchell Kendall, ein Kollege aus ihrem Büro, den Historien des Herodot entnommen. In diesem Abschnitt beschreibt er den Feldzug der Griechen gegen die Perser zurzeit von König Xerxes um 500 vor Christus. Die Griechen hatten ein System entwickelt, um Kuriere einzusetzen, die Vorläufer unserer modernen Briefträger. Als ich die breite Treppe emporstieg, fiel mir ein, dass auch
Enrico ein Postfach hatte. In den Siebzigerjahren war er besessen von der Idee, auf Kontaktanzeigen zu antworten. Ich habe ihn nie gefragt, ob er es tatsächlich benutzt hat, um einer Unbekannten zu antworten. Und ob er je mit einer von ihnen Sex hatte.
    In der Schlange vor dem Schalter habe ich mich gefragt, was Du davon halten würdest. Vor mir standen ein distinguiertes, freundliches Ehepaar, dann Zwillinge mit ihren Eltern und verschiedenfarbigen Zahnspangen (eine Unterscheidungshilfe?) und außerdem ein zartes, allzu knochiges Mädchen. Model, nahm ich an und dachte erleichtert an die Leidenschaft meiner Tochter für die Naturwissenschaften. Ich hatte vierundzwanzig Stunden nicht geschlafen, habe mich von der Stewardess zu meinem Platz führen lassen und wusste die Vorteile der angesammelten Meilen und die erste Reihe hinter dem Cockpit durchaus zu schätzen. Die Stewardess im grün-blauen Kostüm bot mir unterdessen den ersten Orangensaft an, eins der Privilegien der ersten Klasse. Aus dem Fenster betrachtete ich den Beton der Startbahn und schlief ein. Erwacht bin ich erst am JFK wieder. Als ich hinter der Scheibe der Gepäckhalle immer mal wieder Annas Profil auftauchen sah, in ihrem Arm Sarah, die ich stets als Bestätigung meines Glücks empfunden habe, war ich erleichtert. Da waren meine beiden Frauen, und alles ging weiter. Zwei Wochen sind seither verstrichen. Das Main Post Office zu betreten, war, wie an einem Filmset aufzutauchen. Ich habe der Angestellten meinen Ausweis gegeben, und sie hat mir einen bräunlich angelaufenen Schlüssel in die Hand gedrückt, 37 Dollar im Jahr. »Get your mail convenientlywith a P.O. Box.« Ich fühlte mich wie ein Junge am ersten Schultag, wenn die Lehrerin bei der Zusammenkunft der Klassen auf dem Schulhof das einzig liebenswerte Gesicht in einem Meer von Unbekannten ist. So wandte ich mich, als wäre sie eine Verwandte von mir, an eine Dame mit grauem Flechtzopf,
die vor ihrem Postfach stand: »Sie sind nach Nummern sortiert. Die 772 ist dort hinten«, sagte sie, während sie aus ihrem Fach ein Paket herauszog. Und ich hatte es für eine originelle Idee gehalten! In den Vereinigten Staaten zieht man oft um, nicht wie bei uns, wo man in derselben Wohnung geboren wird und stirbt, und ein Postfach haben viele hier. Ich bin ein Neuling, Milady. Ich drehte mich um, aber sie war verschwunden.
    Das erste Mal. Das ist ein bisschen wie das erste Schulheft, der erste Entwurf für einen Kunden, für ein Architekturbüro, fürs Polytechnikum, die

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