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Und jede Nacht ist Halloween

Und jede Nacht ist Halloween

Titel: Und jede Nacht ist Halloween Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Valerie Frankel
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ausgestopfter Türsteher.«
    »Und du siehst aus wie eine zuwenig ausgelastete Nutte«, kommentierte er, ohne höher als meine Knie zu schauen. Es war die längste Kombination an Worten, die ich ihn jemals in einem Rutsch hatte äußern hören.
    »Ich gehe da rein.«
    »Nein, das wirst du nicht.«
    Ich zerrte Mama aus meiner Handtasche und pflanzte sie in sein Ohr. Er zuckte noch nicht einmal zusammen. »Versuch nur, mich aufzuhalten«, drohte ich mit dem mir eigenen dramatischen Flair. Ich wartete auf eine Bewegung. Er hätte mich mit einer Wimper k.o. schlagen können, aber nichts. Er fuhr fort, die weißen Quadrate mit einem roten Stift auszufüllen. Ich rauschte in die Bibliothek.
    Das Zimmer war schwarz wie Blut und ranzig wie Schweiß. Den Duft von gebratener Ente und gefüllten Zucchini von unserem romantischen Tete-à-tete gab es nicht mehr. Strom mußte in der Nähe sein. Ich spürte ihn. Es hatte keinen Sinn, ihn zu suchen, dachte ich mir. Ich beschloß statt dessen, ihn dadurch herauszulocken, daß ich den Laden ausraubte. Oder wenigstens den Griff der versteckten Tür hinter den Vorhängen mit meiner treuen Mama abschoß. Mit einigem Glück würde ich ein geheimes, Ritualen vorbehaltenes Zimmer auftun, das für Menschenopfer vorgesehen war. Und wenn irgend jemand den Versuch unternehmen würde, mich aufzuhalten, würde ich ihnen sagen, daß Lars mich dazu gebracht hätte.
    Ich versuchte, die Wandleuchter anzumachen, aber nichts passierte. Ich fragte mich, ob der lang ersehnte Elektriker endlich gekommen war, um den Kronleuchter zu reparieren, und dafür die Sicherung herausgedreht hatte. Verdammt, dachte ich. Ich würde es im Dunkeln machen müssen. Nicht ganz mein Stil.
    Ich fummelte in der Dunkelheit nach dem mysteriösen Durchgang. Als ich ihn einmal gefunden hatte, holte ich mein Kanonenfeuerzeug aus meiner Handtasche, Mama hatte ich schon in der Hand. Ich zielte mit beiden Ballermännern auf den verschlossenen Griff, den einen des Lichtes wegen, den anderen, um zu feuern. Ich drückte den Abzug, und die Tür explodierte auf. Ich wartete bis zehn darauf, daß Lars hereingeschossen käme, um meinen Fortschritt zu unterbrechen. Nichts. Mein Herz schlug lauter als die Schlagzeuger der University of Southern California Marching Band. Ich kickte meine Pumps weg und schlich mich unerschrocken den langen, dunklen, kalten Korridor hinunter, wobei mir das Glühen des Butangasfeuerzeugs den Weg leuchtete. Er war dick mit Teppich belegt. Die Wände waren — außer fluoreszierenden gelben Pfeilen, die auf die schwarze Mitte zielten — kahl. Meine Schiene auf dem kleinen Finger schrappte gegen die Betonwand, und es gab ein schauderhaftes Echo. Ich bemerkte die Tür am Ende dieser Sackgasse nicht, bevor ich fast schon an ihr angekommen war. Und als ich sie gesehen hatte, lockte mich das Aroma roher Neugier immer weiter, obwohl ich wußte, daß es nicht das Höflichste sein würde, einfach so hereinzuplatzen.
    Die Tür knarzte auf vom Gewicht meines nächsten Schrittes auf sie hinzu. Sie war aus Holz und hatte einen schönen Messinggriff. Der Spalt zeigte mir nichts als das sanfte orangefarbene Licht eines warmen Zimmers. Ich spürte keine menschliche Präsenz, also lehnte ich mich nach vorne und schob die Tür nach innen. Sie eröffnete eine studioähnliche Höhle mit einer aufstellbaren Tafel mitten im Raum. Auf der linken Seite war ein Bett mit einer dicken blauen Steppdecke von Bloomingdale’s (mindestens 250 Dollar wert), einer Rüsche unten herum und riesigen flauschigen Kissen mit Spitzenbezügen. Auf einem imposanten beschlagenen Ledersessel in der gegenüberliegenden Ecke lagen in ordentlichen Stapeln Kleider. Ein dazu passendes Polstermöbel war durch das Zimmer herübergerollt worden und stand vor der Tafel. Ein geclonter IBM-Laptop lag friedlich auf einem einfachen Plastikständer. Ich rätselte über das Geschlecht desjenigen, der diesen Ort bewohnte. Und das Alter. Die Lampe auf dem Nachttisch war noch an, und die Eiswürfel im Glas neben ihr waren fast geschmolzen. Ich ließ meine Laserblicke nach Schränken, einem Bad, einem Versteck umherschweifen. Es gab keine Fenster. Das Zimmer war unter der Erde. Ich ließ mein Feuerzeug in meine Handtasche fallen, um jetzt eine Hand frei zu haben.
    Schweigend suchte ich mit den Augen das Zimmer nach Indizien ab. Aber alles, was ich feststellen konnte, war, daß die Klamotten männlich waren und die Handschrift auf der Tafel — mathematische Formeln —

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