Und jede Nacht ist Halloween
weiblich, fast liebevoll. Aufgrund der nicht vorhandenen persönlichen Gegenstände nahm ich an, daß der Bewohner hier unregelmäßig aufkreuzte oder nur zu Besuch hier war oder den Ort eilig verlassen hatte. Das letzte Mal, daß ich Logarithmen gesehen hatte, war ich gerade dabei, in der elften Klasse durch den Mathekurs zu fallen. Ich mußte dem Mädel neben mir das Mittagessen bezahlen, damit ich bei Klassenarbeiten bei ihr abschreiben durfte.
Ich manövrierte mich sacht weiter in das Zimmer hinein. Die erste Tür auf der Seite war ein begehbarer Schrank mit niemandem drin. Außer Stapel über Stapel von ausgedrucktem Computerpapier, das mit Zahlen bedeckt war, war er leer. Es schien eine Art Inventurliste zu sein, ein aufsteigendes Muster von fünfstelligen Zahlen war erkennbar, aber es gab keine Worte, die das Ganze erklärt hätten. Einige zerknüllte Anzüge hingen auf Drahthängern. Selbst der schickste von ihnen war billig und kurzbeinig. Auf dem Boden, hinter einem Stapel Papier versteckt, saß eine schwarze Bleibüste eines extravagant bekleideten, mittelalten Mannes mit hübschen Löckchen und einer römischen Nase. Auf der Plakette stand Archangelo Corelli. Klingt italienisch, dachte ich. Der Name und das Gesicht erinnerten mich an nichts.
Ich machte weiter. Der nächste Schrank hatte Bretter und war voll mit sauberer Bettwäsche, die in ordentlichen, fehlerlosen Stapeln aufgeschichtet waren. Alex’ Schränke waren diesen, was anale Zurückhaltung anging, ebenbürtig. Vielleicht hätte er mitkommen sollen, um ein einfühlendes psychologisches Profil des Bewohners abzugeben. Ich ging zum Bad weiter.
Die Tür öffnete nach außen, und ich stieß mir fast die Stirn. Ich schaltete das Licht an und bereitete mich geistig auf eine Schlacht vor. Niemand. Nicht in der Dusche, auf dem Klo sitzend oder unter dem Waschbecken. Ich schüttelte meinen Adrenalinstoß wieder ab und marschierte großspurig zurück ins Schlafzimmer. Ich hatte keinen anderen Ausgang gefunden, und so war ich für diesen Moment sicher. Aber wenn mich jemand hier fand, war ich Hackfleisch.
Ich streckte meine Hand aus, um die Badezimmertür hinter mir zu schließen. Eine haarige männliche Hand griff hinter ihr hervor und schnappte sich mein kaputtes Handgelenk. Es war immer noch von dem Nick-Erlebnis empfindlich, und der Schmerz kam sofort. Mit meiner anderen Hand wedelte ich mit meiner Pistole herum und trat die Tür zu, um meinen Angreifer zu sehen. Aber ehe ich vernünftig sehen konnte (ich hatte meine Brille nicht auf), hatte er mich umgedreht und meinen Rücken gegen ihn gepreßt. Er nahm mich mit einer Hand um die Taille in den Clinch, die andere hatte er in meinen Haaren verknotet. Meine Ohren pulsierten von dem Griff, und er zog mich nur fester an sich heran, als ich dagegen ankämpfte. Er sagte: »Was machst du hier?« Aber es war nicht seine Stimme, die ihn verriet.
»Den Steifen würde ich überall erkennen«, sagte ich. »Strom, Süßer, ich wußte nicht, daß du mich so sehr vermißt.«
»Du hast meine Tür kaputtgeschossen.«
»Lars hat mich dazu gebracht.« Ich log.
»Mach mich nicht dumm an, Wanda.«
»Mach du mich doch nicht an.«
»Wie kommt es eigentlich, daß du vergessen hast, mir zu erzählen, daß du Beaudine angeheuert hast?«
»Wie kommt es eigentlich, daß du vergessen hast, mir zu erzählen, daß du verheiratet bist?«
Nach diesem Schlagabtausch lockerte er seinen Griff, und ich konnte mich zu ihm umdrehen. »Ist das eine gefrorene Salami in deiner Tasche?« fragte ich.
»Nein.« Er hatte es nicht kapiert. »Moment, wie meinst du das?«
»Strom, Süßer, du mußt noch lernen, einen Scherz zu vertragen.«
»Wenn du mal was Komisches sagst, werde ich auch lachen.«
»Hör mal«, sagte ich. »Das einzige, was wir gerade tun, ist, uns gegenseitig aufzuregen. Laß uns hinsetzen. Lieb und nett sein. Wir können diese Angelegenheit doch klären.« Ich ging hinüber zum Bett und ließ mich hineinfallen. Es war keine Anmache. Meine Beine zitterten immer noch vom Kampf.
Er fragte: »Hast du Zigaretten?« Ich nickte. Er setzte sich neben mich, und ich gab ihm eine. Er nahm mein immer noch heißes Pistolenfeuerzeug und zündete sie sich an. Ich staunte über die Art, wie er seinen Mund ein bißchen offenließ, wenn er inhalierte. Ich konnte seine Zunge sehen.
Ich sagte fröhlich: »Wie war dein Tag, Liebling?«
»Was hat Sally dir erzählt?« Er machte auf meiner Schulter winzige Kreise mit seiner
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